Vortrag
25.09.2019 · 15.55 Uhr

Matthias Schwartz: Die Orientalisierung des Blicks. Zu den frühen Reportagen von Ryszard Kapuściński und Hanna Krall

Ort: Universität Trier, Universitätsring 15D, 54296 Trier
ZfL-Projekt(e): Affektiver Realismus

Vortrag im Rahmen des Panels »Formen des Dokumentarischen in osteuropäischer Nachkriegsliteratur«, organisiert von Clemens Günther (FU Berlin) und Matthias Schwartz (ZfL Berlin), auf dem 13. Deutschen Slavistentag 2019 an der Universität Trier

In den Vereinigten Staaten machte in den 1960er Jahren eine junge Generation von Autoren wie Norman Mailer, Hunter S. Thompson oder Jean Didion mit radikal neuen Formen der Reportage auf sich aufmerksam. Sie ist als New Journalism in die Literaturgeschicht eingegangen und grenzte sich nicht nur dezidiert vom konventionellen Journalismus ab, sondern wollte auch besser als jeder Roman die Wirklichkeit wiedergeben. Auch im poststalinistischen Europa entwickelten sich fast zeitgleich neue Formen der Reportage, die im Unterschied zu den durch den Sozialistischen Realismus diskreditierten Schreibweisen sinnliche Empathie, Aufrichtigkeit und dokumentarische Wirklichkeitstreue für sich beanspruchte. In dem Beitrag möchte ich die frühen Reportagebände Czarne gwiazdy (1963, dt. »Schwarze Sterne«) von Ryszard Kapuściński und Na wschód od Arbatu (1972, dt. »Ostwärts vom Arbat«) von Hanna Krall exemplarisch analysieren. Dabei geht es mir zum einen um die Frage, welche spezifisch dokumentarischen Schreibverfahren die beiden polnischen Journalisten in diesem Frühwerk entwickelten und inwieweit sich hier Parallelen zu ähnlichen Phänomenen im Westen finden lassen. Zum anderen gilt es zu analysieren, welche Rolle es für die Entwicklung ihres »literarischen Journalismus« spielte, dass sie in Westafrika (Kapuściński) bzw. in der Sowjetunion (Krall) auf eine für sie fremde, teils exotische Gesellschaft blickten.

Matthias Schwartz ist Slawist/Historiker und wissenschaftlicher Mitarbeiter im Projekt Affektiver Realismus. Osteuropäische Literaturen der Gegenwart.