Selbstübersetzung als Wissenstransfer
In der heutigen internationalisierten Wissensgesellschaft – in ihrer medialen Beschleunigung wie in ihrer globalen Vernetzung – sind die Anforderungen an die Mehrsprachigkeit der Akteure deutlich gestiegen. Dabei geschieht es häufig, dass Wissenschaftler eigene Texte ganz oder teilweise aus der einen in die andere Sprache übersetzen. Angesichts der praktischen Bedeutung solcher Verfahrensweisen besteht ein dringender Bedarf an methodischer Reflexion und historischer Kenntnis. Darauf zielt die Tagung Selbstübersetzung als Wissenstransfer. Von Selbstübersetzungen kann immer dann gesprochen werden, wenn sich Autoren als ihre eigenen Übersetzer betätigen. Dabei handelt es sich um ein faszinierendes Phänomen, das im Feld der literarischen Übersetzung bereits seit längerem in den Blick genommen wird, aber in seiner wissenstheoretischen und -geschichtlichen Reichweite noch weitgehend unerforscht ist. Das historische Spektrum der Tagung reicht von der frühen Neuzeit, als die diversen Volkssprachen begannen, sich in Ergänzung zum (bzw. in Überwindung des) Lateinischen als Wissenschaftssprachen zu etablieren, bis zur Gegenwart mit der Spannung zwischen Einzelsprachen und globalisiertem Wissenschaftsenglisch.
Tagungssprachen: Deutsch und Englisch
Programm
Donnerstag, 27.11.2014
14.00–15.30
- Stefan Willer (ZfL): Einführung
- Andreas Keller (ZfL): »Von Martino Luther selbs teütsch gemacht«. Zur Problematik der Selbstübersetzung im 16. Jahrhundert
16.00–17.30
- Sietske Fransen (Warburg Institute London): Jan Baptista van Helmont and his Theory of Translation
- Stefan Willer (ZfL): »In deutscher Richtung mit französischem Winde segeln«. Wilhelm und Alexander von Humboldt als Selbstübersetzer
18.00–19.30
- Héctor Canal Pardo (Weimar): Sprachwahl und Selbstübersetzung. A.W. Schlegels Kampf um Aufmerksamkeit auf dem akademischen Feld im Prozess der Spezialisierung
- Dagmar Stöferle (München): Bessere Tragödien, besseres Italienisch? Manzonis »Lettre à M. Chauvet« (1820/23)
Freitag, 28.11.2014
10.00–11.30
- Robert Leigh, Staffan Müller-Wille (Exeter): Translation and Innovation. Carl Linnaeus (1707–1778) and the Multiplicity of Language
- Dirk Weissmann (Paris-Est Créteil): Heine als Selbstübersetzer. Zwischen Wissenstransfer und Autorinszenierung
12.00–12.45
- Pawel Jarnicki (Wrocław): Ludwik Fleck's Legacy – an Example of Self-Translation?
14.00–15.30
- Cornelius Borck (Lübeck): Organismus ohne Aufbau.Wie Kurt Goldstein im Exil zum Holisten wurde
- Caroline Sauter (ZfL): Prekäre Passage. Zu Walter Benjamins Passagenexposés auf Deutsch (1935) und Französisch (1939)
16.00–17.30
- Pascal Roure (Istanbul): Leo Spitzers »En apprenant le turc«/»Türkçeyi Öğrenirken«
Samstag, 29.11.2014
10.00–11.30
- Patricia Gwozdz (Potsdam): »La ciencia amena«. Das translationale Programm lateinamerikanischer Wissenschaftspopularisierung
- Ronja Tripp (Frankfurt/Oder): »The Act of Reading« in Translation. On Wolfgang Iser's Self-Translatability
12.00–13.30
- Maria Oikonomou (Wien): Castoriadis übersetzt Kastoriadis (in eine nicht existierende Sprache)
- Abschlussdiskussion: Folgerungen und Desiderate