Conference panel
02.10.2015 · 14.15 Uhr

Trauer, Spiel, Phantasma. Zum Umgang mit Geschichte in zeitgenössischen osteuropäischen Literaturen

Ort: Justus-Liebig-Universität Gießen, Otto-Behaghel-Str. 10D, 35394 Gießen
Organisiert von Matthias Schwartz

Programm

Konferenzpanel des 12. Deutschen Slavistentags (01.-03.10.2015)

Panel I
Freitag, 02.10.2015
14.15–15.55

  • Brigitte Obermayr (FU Berlin): Geschichtsurteile: Das historische Narrativ und seine Wirklichkeitsreferenzen (am Beispiel des Topos »Ivan Groznyj«)
  • Riccardo Nicolosi (LMU München): Was wäre wenn? Kontrafaktische Geschichtsmodellierung im postsowjetischen Russland
  • Nina Weller (LMU München): Entmythisierung der Geschichte: Zur Demontage des heroisierenden Blockademythos bei Andrej Turgenev (alias Vjačeslav Kuricyn)

Panel II
Freitag, 02.10.2015
16.15–17.55

  • Roman Dubasevych (Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald): Manus manum lavat oder die jüdische Rückreise in die ukrainische Kultur
  • Heike Winkel (FU Berlin): Ambivalente Opfer. Figurationen der Vertreibungsthematik in der tschechischen Gegenwartsliteratur
  • Matthias Schwartz (ZfL): Gefühlte Geschichte. Szczepan Twardochs phantasmatische Revisionen des polnischen Messianismus

Der Umgang mit der Geschichte spielt eine zentrale Rolle für die Identitätsstiftung der nach dem Ende des Warschauer Pakts in die Unabhängigkeit entlassenen Nationalstaaten, durch ihn werden kollektive Gemeinschaft und imaginäre Kontinuitäten konstituiert. In den aktuellen Auseinandersetzungen um einen angemessenen Umgang mit der Vergangenheit können bislang vergessene und verdrängte Aspekte offengelegt werden, sie können aber auch politische und militärische Konflikte legitimieren, wie sich jüngst in der Ukraine-Krise zeigte. Die Topoi, Symbole und Narrative dieser Geschichtskonstruktionen wurden und werden häufig in fiktionalen Texten ent- und auch verworfen, noch bevor sie geschichtspolitische Relevanz erlangen. Literarische Texte entfalten Gedächtnisräume der Trauer, indem sie den traumatischen Seiten einer »verzerrten Erinnerung« (Alexander Etkind) fiktionale Gestalt geben; sie verhandeln spielerisch ideologisch überformte und historisch umstrittene Fragen der Geschichte, indem sie konterfaktisch mögliche Alternativen durchspielen oder verruchte, unmoralische, verdächtige Erzählerstimmen zum Sprechen bringen; und sie geben den Phantasmen einer radikalen Geschichtsrevision Raum, indem sie dystopische Zukunftsvisionen oder neo-imperiale Ambitionen fiktionale Wirklichkeit werden lassen. Auf dem Panel sollen solche fiktionalen Geschichtsentwürfe zwischen Trauer, Spiel und Phantasma anhand von ausgewählten neueren Werken der osteuropäischen Gegenwartsliteratur exemplarisch analysiert und vergleichend diskutiert werden.

Abb. oben: Filmplakat Ivan El Terrible, Quelle: www.embassymade.com