Alexandre Kojève. Konstellationen zwischen Moskau–Berlin–Paris–Brüssel
Program
Eine Kooperation zwischen dem Editionsprojekt Briefe von und an Jacob Taubes (Martin Treml und Herbert Kopp-Oberstebrink), dem Philosophischen Seminar der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (Christine Blättler) und Andreas Hiepko (Berlin)
Der russisch-französische Philosoph Alexandre Kojève (1902–1968) ist besonders bekannt für seine Hegel-Vorlesungen im Paris der 1930er Jahre, welche Generationen französischer Intellektueller nachhaltig prägten. Zunächst an der Universität als europäische Brückenfigur wirkend, setzte er später diese Aufgabe in der Politik fort, indem er für die OECD arbeitete. Auf seinen Vortragsreisen in Deutschland hörten ihn Carl Schmitt, Jacob Taubes und die Köpfe der Berliner Studentenbewegung.
In seiner Hegellektüre machte Kojève das Ende der Geschichte zum Thema; deren Rezeption fokussierte auf den Begriff der Anerkennung: die gegenseitige Anerkennung aller hebe nicht nur den Kampf zwischen Herr und Knecht auf, sondern die den historischen Prozess vorantreibenden Widersprüche überhaupt.
Der Workshop möchte diese Rezeption öffnen, indem er weitere Konstellationen auf Kojèves Weg von Moskau nach Brüssel sichtbar macht und aufeinander bezieht: so mit Vladimir Solov'ëv, über dessen Religions- und Geschichtsphilosophie Kojève bei Karl Jaspers promovierte; mit dem Künstler Wassily Kandinsky, dem die Koževnikovs zur Adoptivfamilie wurden; mit dem Psychoanalytiker Jacques Lacan, dessen Begriff des Begehrens durch Kojèves Übersetzung der Hegelschen Begierde mit désir zentral wurde; mit dem Philosophen Leo Strauss und dessen politischer 'Kunst des Schreibens', die Kojève selbst meisterhaft praktizierte; mit der Möglichkeit eines nicht-humanistischen Atheismus, wie er für das Spannungsfeld zwischen Existenzialismus und Strukturalismus relevant wurde; mit dem 'Sonntag des Lebens' und seinem Verhältnis zu tagespolitischen Geschäften; mit der säkularisierten eschatologischen Figur vom Ende der Geschichte, die angesichts zahlreicher Kämpfe und Kriege ein Nachdenken über Geschichte über das Posthistoire hinaus erneut einfordert.
(Stand: 05.10.2011)
Donnerstag, 27.10.2011
10.00–10.30
Christine Blättler/Martin Treml: Begrüßung & Einleitung
10.30–11.30
Moderation Christine Blättler
Galin Tihanov (London): Alexander Kojève's Adventures between Philosophy and Wisdom
12.00–12.45
Moderation Andreas Hiepko
Marco Filoni (Mailand/Paris): Alexandre Kojève et le libre jeu du négociateur
14.30–16.00
Moderation Christine Blättler
Edward Swiderski (Fribourg): All roads lead to the Absolute… but some are better than others. On Koževnikov's reading of Solov'ëv
Franziska Uhlig (Berlin/Weimar) und Martin Treml: Gespräch über Kojève und Kandinsky
16.30–18.00
Moderation Michael Sellhoff
Andreas Hiepko (Berlin): Kojèves bande à part. Säkularisate des absoluten Wissens bei Bataille und Queneau
Danilo Scholz (Paris): Der Denker in Zeiten der Wirren. Alexandre Kojève und das Vichy-Regime
Freitag, 28.10.2011
11.00–12.30
Moderation Martin Treml
Thomas Meyer (Chicago/München): "Aber man muss auch dem Leser etwas lassen: er soll selbst weiter denken". Strauss und Kojève über Hegel, Plato und Xenophon
Herbert Kopp-Oberstebrink (ZfL): Taubes liest Kojève. Intellektuelle Konstellationen und Kontexte
14.00–15.00
Moderation Martin Treml
Falko Schmieder (ZfL): Die Enden der Geschichte nach Kojève
Ernst Müller (ZfL): Kommentar
15.30–17.00
Moderation Christine Blättler
Anna Tuschling (Bochum): Begehren contra Begierde? Lacans Antwort auf Kojèves Anthropologisierung Hegels
Stefanos Geroulanos (New York): Negation, Atheism, Realism. Alexandre Kojève on the Death of Man