Hans Kelsen, Gott und Staat
Program
Es scheint, daß wir in eine Phase der Politik eingetreten sind, wo sich
diese zunehmend von radikalen religiösen Ansprüchen bedrängt sieht.
Gerade dort kann man neue Religionskriege ausmachen, wo Mächte
aneinandergeraten, die selbst den Schritt vom Politischen zum Religiösen
schon vollzogen haben, oder wo Politik ohne einen religiösen
Hintergrund nicht denkbar ist. An den Reibeflächen solcher Mächte
springt der Funken des neuen Terrorismus.
Was den Zusammenhang von
Religion und Politik angeht, so hat ihn Hans Kelsen, Jurist und
Rechtsphilosoph, als einen allein kritischen begriffen. Er war sehr
bestrebt, Recht und Politik von allen ethischen Ansprüchen zu trennen,
ohne diese gleichzeitig zu verneinen. Religion stellt für ihn den
Kontrast zu seiner relativistischen Position dar, die im Feld der
politischen Auseinandersetzung eine Zone schaffen soll, in der die
diversen Weltanschauungen zu einem politischen Kompromiß finden können.
Sein Programm der Toleranz hat nicht die Auflösung der Weltanschauungen
zum Ziel, ist sonach kein politischer Atheismus, sondern ihre partielle
Neutralisierung. Statt im anderen den Feind zu betonen, sucht er die
politische Auseinandersetzung auf ein Gemeinsames zu gründen. Es wäre
reizvoll, zumindest im Überblick diese Aufnahme und Positionierung der
Religion in Kelsens politischer Theorie und anhand seiner
Auseinandersetzung mit Carl Schmitt und Max Adler nachzuzeichnen.
Textgrundlage für den Workshop ist Kelsens Aufsatz „Gott und Staat“, der 1923 im Logos erschienen ist.