Klage, Theatralität und Gerechtigkeit. Karl Kraus und die Grundlagen des Rechts
Weltgericht und Tribunal, Klage und Schauspiel. All dies sind zentrale Motive im Schaffen von Karl Kraus. Dabei ist nicht von Metaphern oder symbolischen Konzepten die Rede. Bei Kraus geht es um tatsächliche Verbindungen: um das Band zwischen Sprache und Gerechtigkeit, den Zusammenhang von Gesetz und Moral und die Frage nach dem Recht als Medium oder – frei nach Cornelia Vismann – den Medien des Rechts: das Gericht als Theater, der Verhörtisch als Unterwerfungsgegenstand, die Stimme als Mittel faktisch irreversibler Urteile. Nicht alle diese Aspekte haben in der bisherigen Forschung gleichermaßen Aufmerksamkeit bekommen. Literaten dienen dem Juristen oft als Gegenstand für unverbindliche Erbauungstexte, gerade wenn sie – wie Kraus – selbst biographische Verbindungen zu den Rechtswissenschaften haben. Damit entgeht dem Juristen die essentielle Verbindung zwischen einer Kritik an Sprache, wie Kraus sie gepflegt hat, und dem Innersten des Rechts selbst: Gerechtigkeit und Sprache bleiben, nach Walter Benjamins Formulierung, unausweichlich „ineinander gestiftet“. Diesen Verwicklungen wollen wir in losen Assoziationen zu Karl Kraus, seinen Mitstreitern und Lebensthemen näher auf den Grund gehen. Untersucht werden soll dabei das Recht als Medium in seinen vielfältigen Erscheinungsformen, die Gerechtigkeit als Grammatik des Politischen, wie sie neben Karl Kraus etwa bei Theodor Adorno oder Max Weber Verwendung findet, oder die Frage, ob Theatralität eine Bedingung von Moral sein kann. Auf dem Workshop soll ein neuartiges Präsentationsformat ausprobiert werden: Anstatt Papers und Aufsätze vorzutragen, sollen die Referenten in 15-minütigen Statements ihr Verständnis der oben umrissenen Problematiken formulieren, die anschließend vom Plenum intensiver diskutiert werden sollen
Der Workshop ist eine Veranstaltung des ZfL in Kooperation mit der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften.
Program
Donnerstag, 13. Oktober
Ort: Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Jägerstr. 22, 10117 Berlin, Raum 230
14.00 Begrüßung und Einleitung
Dieter Simon, Gal Hertz, Benjamin Lahusen
14.30
Gerald Krieghofer (Akademie der Wissenschaften Wien): Karl Kraus 1933, jenseits seiner sprachkritischen Schrullen
Julika Rosenstock (TU Berlin): Rechtsgefühl und Volksempfinden
16.30
Reinhard Merkel (Hamburg): Satire als ‚Complement der Gesetze’: Normative Grundlagen und Grenzen satirischen Schreibens im Werk von Karl Kraus
Alexandra Kemmerer (MPI für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Heidelberg): Das Schweigen der Presse. Karl Kraus und die journalistische Sprache als Medium des Rechts
Hildegard Kernmayer (Graz): „Und wenn ich darüber nachdenke, will ich Heine belangen.“ Feuilletonismus und schwarze Magie vor Kraus’ Sprachgericht
Freitag, 14. Oktober, 9.30
Ort: Zentrum für Literatur- und Kulturforschung, Schützenstr. 18, 10117 Berlin, 3. Etage
9.30
Galili Shahar (Tel Aviv): Halacha, the Law and the Liturgical Body (Benjamin on Kraus)
Daniel Weidner (ZfL): Jüngstes Gericht. Kraus’ Apotheose des Rechts
Jochen Bung (Hamburg): „Rechthaberei, gesteigert bis [...] in den Angriff aufs Recht selbst“ – Überlegungen zu Adorno und Kraus
14.00
Martin Treml (ZfL): Stimme des Gesetzes: Karl Kraus' Vortragskunst
Elise von Bernstorff (Gießen): Die Performance des Gerichts
Andreas Kilcher (ETH Zürich): Kafkas Theatralik des Rechts
Abb. D.M. Nagu/ZfL