Kulturtheorie an den Rändern der Wissenschaft. Georges Bataille zum 50. Todestag
Program
Samstag, 08.12.2012
10.00
Martin Treml (ZfL): Einführung. Carlo Barck zum Gedenken
10.30
Rosa Eidelpes (ZfL): Sakrale Wissenschaft. Bataille im Collège de Sociologie
11.45
Cornelia Wild (München): Profanierung/Transgression. Georges Batailles L’Érotisme
14.30
Annette Bitsch (Berlin): Den Eselskopf anbeten. Georges Bataille und die Gnosis
15.15
Giorgi Maisuradze (ZfL): Der souveräne Mensch. Georges Bataille und Carl Schmitt
16.30
Johannes Steizinger (ZfL): Kultur im Spiegel des Spiels. Georges Bataille und Walter Benjamin
17.15
Ines Lindner (Berlin): Fotos als Katalysatoren. Über Batailles Umgang mit Bildern
18.30
Marcus Stiglegger (Siegen/Mainz): Transgressive Filme. Georges Bataille und das Kino
Seine Disziplin war die Überschreitung: Der französische Schriftsteller und Theoretiker Georges Bataille zählt zu den einflussreichsten Denkern des 20. Jahrhunderts. Sein Werk verstand sich als Entwurf zu einer undisziplinierten, einer heterogenen Wissenschaft, die neue Konstellationen für die Analyse sozialer und ökonomischer, künstlerischer und erotischer Bewegungen der Ausschweifung, des Überschusses und der Unproduktivität schaffen wollte. Bataille verstand diese nicht als Störfälle, sondern als integrale Bestandteile kultureller Prozesse und siedelte sie zugleich jenseits der profanen Welt in der Ordnung des Sakralen an. So stellte das Studium der Heterogenität auch den Versuch dar, das Erbe des Sakralen in säkularisierten Gesellschaften benenn- und beschreibbar zu machen.
Auch Batailles kunsttheoretisches und literarisches Interesse galt dem sozial Tabuisierten, dem Verdrängten und Abjekten. Dieser »niedere Materialismus« manifestiert sich in einer Ästhetik und Poetik des Formlosen und Ekligen, Grotesken und Grausamen. Seine literarischen, literatur- und kunsttheoretischen Schriften und Projekte konzentrieren sich auf das Verstörende, Deformierte und Disproportionale und weisen ihm die ästhetische Kraft zu, vertraute Sichtweisen radikal aufzubrechen. Kunst und Literatur werden so zu genuinen Schauplätzen von Wahrnehmungs- und Denkformen der Überschreitung und Ausschweifung, des Mehr(-als-)Wissen und der »inneren Erfahrung«.
Georges Bataille ist bis heute Referenzfigur für Kulturtheorien, die den kultischen und archaischen Formationen in säkularisierten Gesellschaften Rechnung tragen und sie als Nachleben des Sakralen in den Blick nehmen wollen. Für einen gegenwärtigen Fragehorizont ist von Interesse, ob und in welcher Form Batailles Theorie der Heterogenität auch heute noch Anschlusspunkte für kulturtheoretische Fragestellungen zu bieten hat.Der eintägige Workshop will den historischen Konstellationen von Batailles Denken nachspüren und dieses auf sein Potential für aktuelle Fragen der Ästhetik, der Literatur- und Bildtheorie befragen, sowie mögliche Anschlussstellen erforschen, die seine Kultur-, und Sakraltheorie bis heute bieten kann.