Vortrag
21 Mar 2012 · 6.30 pm

Mona Körte: »In the service of art«. Brennende Schriftstücke in Henry James' »The Aspern Papers«

Venue: Universität Salzburg, Erzabt-Klotz-Str. 1, 5020 Salzburg, Agnes Muthspiel Saal

Program

Vortrag im Rahmen der öffentlichen Ringvorlesung Kunstzerstörung

In Henry James’ Roman The Aspern Papers (1888) buhlt ein namenloser Philologe um ungehobene Schätze der Kunst. In räumlicher Nähe zu einem bisher gehüteten Nachlass des Dichters Jeffrey Aspern wird er zum unerbittlichen Textjäger, der die Schriftstücke schließlich, anstatt sie zu retten, ihrer eigentlichen Bestimmung zuführt: Ungelesen verbrennen sie im Feuer. Damit zählt James’ schmaler Roman mit Elias Canettis Die Blendung zu denjenigen Werken, in welchen der Philologe in der Rolle des behutsamen Spezialisten der Textpflege und -überlieferung versagt, weil der fetischisierte ›Dienst an der Kunst‹ die Praktiken ihrer Erschließung, Überlieferung und Kanonisierung längst affiziert hat. Getrieben von der Sehnsucht nach Präsenzerfahrung und Berührbarkeit der Kunst ebenso wie dem Anspruch auf Exklusivität und Deutungshoheit sind philologische Neugier und kriminelle Energie zu einer unlösbaren Einheit geworden.
Zugleich steht der Roman in der Tradition der ›end-determined fictions‹, in der das Ende als ein mehrfaches reflektiert wird: Denn dem pragmatisch notwendigen Ende eines Buches stehen die textimmanenten Angriffe auf künstlerische Entwürfe gegenüber, die in einem definitiven, finalen Sinn betrieben werden: als Exempel, Strafe, Opfer, damnatio memoriae oder Selbstanzeige, als ein Ende jedenfalls, das viele andere Enden impliziert.
Der Vortrag nimmt die – den Roman von Anbeginn grundierende – prekäre Spannung zwischen Bewahren und Vernichten in den Blick und konzentriert sich auf die imaginativen und rhetorischen Verfahren, die den fortwährenden Aufschub der Vernichtung organisieren. Dabei schieben sich Themen wie Eigentum und Erbschaft, Intimität und Öffentlichkeit, Vergessen und Kanonisierung vor die Frage nach dem Charakter, Zustand und Umfang der unbesehenen Hinterlassenschaft, die der wenig zuverlässige Philologe abwechselnd in den Kategorien von »precious papers« oder »crumpled scraps« beschreibt.

Mona Körte ist Germanistin und Komparatistin und wissenschaftliche Mitarbeiterin im Forschungsprojekt Gesicht als Artefakt.