Workshop
08 Jul 2014 · 9.00 am

Naturdinge im Museum. Sammlungen – Ordnungen – Diagramme

Venue: ZfL, Schützenstr. 18, 10117 Berlin, 3. Et., Trajekte-Tagungsraum
Contact: Georg Toepfer
Research project(s): The Shifting Borders of Biology

Program

9.00–11.00
Staffan Müller-Wille (Exeter): Herbarschrank, Zettelkasten und Katalog um 1800

Ina Heumann (Berlin): Weg damit! Ordnung und Verkauf (am Museum für Naturkunde Berlin) um 1900

11.30–12.30
Michael Ohl (Berlin): Tote Fische leben länger. Sammlungsordnung zwischen archivarischer Praxis und Systematisierungstheorie

14.00–16.00
Margarete Vöhringer (ZfL): »Der Platz ist für die Fülle des Aufgestapelten zu knapp«. Zur Sammlung und Ausstellung am Darwin-Museum in Moskau

Jana August (ZfL): Sammeln im Diagrammatischen. Das Beispiel des New Yorker Museum of Modern Art

16.30–18.30
Alexandre Métraux (Nancy): Tafeln, Tabellen und tableaux, oder: Vorlagen für's Gedächtnis

Georg Toepfer (ZfL): Der Anspruch auf Vollständigkeit. Naturkundemuseen als Arche und die Ikonografie der Fülle in Ensembles, Bildern und Diagrammen

Die Ordnung der Dinge in naturkundlichen Museen und Sammlungen kann sich nicht unmittelbar aus der Natur selbst entwickeln. Sie folgt vielmehr bestimmten, einem historischen Wandel unterliegenden wissenschaftlichen Theorien über das Verhältnis der gesammelten Gegenstände zueinander. Diese theoretischen Ordnungen wiederum sind ebenso wenig vorgegeben wie die Ordnungen der Natur, sondern entwickeln sich in Auseinandersetzung mit diesen im Prozess der Wissenschaftsgeschichte. In den naturkundlichen Ordnungen der Dinge und Theorien treten somit zwei Bereiche in Wechselbeziehung, die in einem gegenseitigen Konstitutionsverhältnis zueinander stehen: Die Strukturierung der Sammlungen und Ausstellungen wird durch einen theoretisch-begrifflichen Hintergrund geleitet, der sich umgekehrt erst durch ein Wissen rechtfertigt, das aus der Forschungs- und Sammlungspraxis erwächst.

Ein vermittelndes Glied zwischen der Praxis des Sammelns und der Sammlungsordnung sind Modelle zur Klassifikation der Naturdinge. Sie leisten eine Verdichtung von Wissensordnungen und ermöglichen ihre konzentrierte Repräsentation, besonders anschaulich und vielseitig anschlussfähig in Form von Diagrammen. Ein paradigmatischer Fall für ein Diagramm in dieser Funktion ist Lamarcks berühmtes Schema zur Ordnung der großen Gruppen von Tieren (Tableau servant à montrer l’origine des différens animaux, 1809). Es entstand im Zusammenhang mit Lamarcks praktischer Arbeit zur Ordnung der Sammlung des Pariser Muséum d’histoire naturelle. Losgelöst von seiner praktischen Verwendung entwickelte es sich aber zu einem höchst einflussreichen theoretischen Modell, das die empirische und theoretische Forschung befruchtete.

Ziel des Workshops ist es, das wechselseitige Verhältnis zwischen der praktischen Ordnung des Sammelns, der logischen Ordnung von Klassifikationshilfen wie Diagrammen und der physischen Ordnung der Sammlung von Naturobjekten zu untersuchen. Gefragt wird, welche Praktiken, Begriffe und theoretischen Ordnungssysteme für den Aufbau der Sammlungen und die Ausstellung der Objekte herangezogen wurden, welchem Wandel diese unterlagen und in welcher Weise die Sammlungs- und Ausstellungspraxis eine Rückwirkung auf die Begriffs- und Theorieordnungen hatte. Insbesondere geht es dabei um folgende drei Komplexe: (1) in der Ökonomie des Sammelns um die Kriterien des Ein- und Ausschlusses von Objekten in die Sammlung, auch im Kontext von finanziellen Erwägungen des An- und Verkaufs; (2) in der Logik der Klassifikation um die Funktion von Hilfsmitteln wie Zettelkästen, Katalogen und Diagrammen für die Entwicklung einer Logik der Klassifikation und eine Strategie für den Sammlungsaufbau; und (3) in der Ordnung der Sammlung um ihre Strukturierung vor dem Hintergrund der Sammlungspraxis und Klassifikationstheorie.