Selbstmordattentäter. Bilder und Deutungsmuster
Program
Veranstaltung der Reihe zum Jahresthema des ZfL: Märtyrer. Schlüssel zum Verhältnis der Religionen und Kulturen
Seit den Anschlägen auf die Twin Towers in New York und der
Geiselnahme im Moskauer Theater durch tschetschenische Terroristen sind
Bilder von Anschlägen mit 'lebenden Bomben' zum regelmäßigen Bestandteil
der Nachrichten geworden. Sie sind eines der beunruhigenden Zeichen der
unübersehbaren Rückkehr der Religionen in die Politik. Denn viele
dieser Attentäter begreifen sich selbst als Märtyrer oder werden von
ihrer Gemeinschaft als solche verehrt.
Für die meisten Menschen
hierzulande ist nicht verständlich, was diese Form der politischen
Gewalt mit der Tradition religiöser Märtyrer zu tun hat. Denn unsere
Vorstellung von Märtyrern ist weitgehend durch das Bild von Verfolgten
oder Opfern geprägt, die für ihren Glauben, eine Idee oder 'gute Sache'
den eigenen Tod hingenommen haben. Darüber hinaus schienen Märtyrer
einer längst vergangenen Zeit anzugehören, die mit Säkularisierung und
Modernisierung überwunden ist.
Tatsächlich war schon vor den
Selbstmordattentätern das Deutungsmuster der Märtyrer in die Gegenwart
zurückgekehrt: vor allem im Gedenken an die Opfer des Holocaust, aber
auch in den Ehrungen von Widerstandskämpfern und Gefallenen.
Doch
die Wiederkehr der Märtyrer auf die politische Bühne verbindet noch
mehr mit der europäischen Kulturgeschichte. Denn die (Selbst-)
Darstellungen von Selbstmordattentätern und die Propaganda der
Terroristen ist voller starker Bilder und religiöser Symbole. Teils sind
dies Zitate aus der vielfältigen Tradition verschiedener Religionen,
teils auch Chiffren aus der Popkultur.
Die Veranstaltung des
Zentrums für Literatur- und Kulturforschung geht Fragen nach wie: Auf
welche Quellen berufen sich gegenwärtige Selbstmordattentäter? Welche
Bilder und Symbole werden dabei aktualisiert? Welchen Anteil hat dabei
die Politik, welchen Anteil die Religion, und welche Rolle spielen die
Bilder? Was macht die anhaltende Faszination der Märtyrer aus? Und was
ihre Gefahr?
17.00 Uhr Bilder von Märtyrern in der Kulturgeschichte
Bildervortrag von Sigrid Weigel (ZfL) und anderen
18.00 Uhr Selbstmordattentäter in Filmen und Videos
Silvia
Horsch (ZfL): Ritter, Schwert und Kreuzzug. Politische Theologie und
mediale Strategien in den Märtyrervideos der al-Qaida
Liza Franke (Leipzig): "Märtyrerinnen im palästinensischen Widerstand"
Friederike Pannewick (Berlin/Oslo): Choreographie des inszenierten Märtyrertums im Nahostkonflikt
20.00 Uhr Selbstmordattentäter: Politik und Religion
Podiumsdiskussion
mit Thomas Hauschild (Ethnologe, Tübingen), Thomas Scheffler
(Politologe, Berlin/Kopenhagen), Michail Ryklin (Philosoph, Moskau),
Sigrid Weigel (Kulturwissenschaftlerin, Berlin)
Moderation: Sonja Zekri (Süddeutsche Zeitung)
Das
ZfL wurde im Rahmen der bundesweiten Veranstaltungsreihe 365 Orte im
Land der Ideen, die die Initiative Deutschland – Land der Ideen
realisiert,
zum "Ausgewählten Ort 2007" gekürt. Die offizielle Preisverleihung
erfolgt während der Veranstaltung.
Diese Veranstaltung wird durchgeführt mit freundlicher Unterstützung der Akademie der Künste.