Über Wissenschaft reden. Sprachgebrauch, Darstellungsform und Adressierungsstruktur der deutschen Wissenschaftsprosa um 1800
Program
Achtung: Programmaktualisierung vom 01.07.2016:
Andrea Polaschegg (vorgesehen für 02.07.2016 13.00) hält heute (01.07.2016 12.30) ihren Vortrag, da der Vortrag von Thorsten Roelcke ausgefallen ist.
Andrea Polaschegg (Berlin): Literaturgeschichtsschreibung als Brücke zwischen Literatur und Leben. Friedrich Schlegels Wiener Vorlesungen »Geschichte der alten und neuen Literatur« (1812)
Donnerstag, 30.06.2016
14.00
Claude Haas/Daniel Weidner (beide ZfL): Begrüßung und Einführung
Sektion 1: Wissenschaft, Bildung und die Konkurrenz der Disziplinen
14.30
Ernst Müller (ZfL): ›Deutschland als Mittelpunkt der Bildung‹. Schleiermachers Universitätskonzept
15.30
Denis Thouard (Berlin): Die Vermittlung der Philosophie um 1800
17.00
Wolfert v. Rahden (Berlin): »Ein gewagtes Abenteuer der Vernunft«. Pioniere neuer Wissensdisziplinen und Beiträge zur Sprachursprungsdebatte. Fußnotar Kant, Gedankendränger Herder, Paragraphenreiter Füchsel, Sprachpsychonaut Moritz
18.00–19.00
Daniel Fulda (Halle): Von der rhetorischen zur epistemologischen Sprachauffassung. Zur Geschichtsschreibung und Geschichtstheorie der Sattelzeit
Freitag, 01.07.2016
Sektion 2: Wissenschaftlicher Sprach- und Stilgebrauch
10.00
Thorsten Roelcke (Berlin): Von der wissenschaftlichen Eignung der deutschen Sprache
11.00
Philipp Roelli (Zürich): Wie werden wissenschaftliche Begriffe in den Volkssprachen gebildet?
12.30–13.30
Peter Schnyder (Neuchchâtel): Geistes-Gegenwart. Rede und Vorlesung bei Adam Müller
15.00
Daniel Ulbrich (Köln): Ein wahrer oder ein falscher Bestandteil der Philologie? J.G. Herder und F. Schlegel über Nutzen und Nachteil des Lateinischen für Literatur und Literatur-Wissenschaft
16.00–17.00
David Martyn (St. Paul/USA): Jacob Grimms wissenschaftlicher Sprachgebrauch
Samstag, 02.07.2016
Sektion 3: Wissenschaftliche Darstellungsformen
10.00
Birgit Griesecke (ZfL): »Berichtigung des Sprachgebrauchs«? Lichtenberg, ein Aphorismus und seine Folgen
11.00
Michael Prinz (Zürich): Deutsch als Vorlesungssprache in der Frühaufklärung
13.00–15.00
Andreas Keller (ZfL): Bildung als Ideal und Beredsamkeit als Praxis. Systemkollisionen um 1800
Im Laufe des 18. Jahrhunderts wird an deutschen Universitäten das Lateinische in der Lehre zunehmend durch die deutsche Sprache ersetzt. Die gegenüber den westeuropäischen Nationen bis heute oft als verspätet empfundene Entwicklung steht am Beginn der steilen Karriere des Deutschen als Sprache der Wissenschaft, die durch das gesamte 19. Jahrhundert bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts anhält. Dieser Entwicklung korrespondiert v.a. im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts eine umfassende Krise des überlieferten Modells der ›Gelehrsamkeit‹, die eine Neuausrichtung des Wissens erfordert. So werden die Disziplinen, die sich nun als ›Wissenschaften‹ verstehen, grundlegend reformuliert, die Universität wird als Ort von ›Bildung‹ und ›Forschung‹ neu begründet.
Die Tagung will diese beiden Entwicklungen – Sprachumstellung und epistemologische Zäsur – historisch wie systematisch aufeinander beziehen. Schließlich fallen die Überlegungen über eine neue Wissenschaft um 1800 oft mit einer ausgewiesenen Sprachreflexion und einer sprachphilosophisch grundierten Erkenntnistheorie zusammen. Die explizite Reflexion über die Sprachlichkeit des Wissens konfrontiert die Tagung dabei konsequent mit den Sprechweisen der Wissenschaft in der Form der Universität. Im Zentrum ihres Interesses stehen die unterschiedlichen Modi der wissenschaftlichen Adressierung, die sich zugleich an die Nation und an den Einzelnen richten und die das Subjekt der Wissenschaft auf doppelte Weise verpflichten: auf die strenge Objektivität einer oft erst zu konstituierenden Disziplin und auf ein emphatisches Bildungsideal, das jede disziplinär organisierte Wissensform überschreitet. Neben dem wissenschaftlichen Stil- und Sprachgebrauch nach der Krise der Rhetorik wird auch nach den Darstellungsformen und Gattungen (etwa Vorlesung, Enzyklopädie, Aphorismus oder Anekdote) gefragt, die der neuen Wissenschaft besonders adäquat scheinen. Die Tagung konzentriert sich auf diejenigen Fächer, die später als ›Geisteswissenschaften‹ tituliert werden: Philologie, Ästhetik, Philosophie und Geschichte.
Abb. oben: Hegel mit seinen Studenten. Lithographie von Franz Kugler von 1828