Verzeichnen, Sammeln, Eingedenken. Tagebuch und Kalender bei Uwe Johnson und Walter Kempowski
Program
Vortragsreihe im Rahmen der Ausstellung "Vom Tagebuch zum Weblog"
Kooperation des ZfL mit dem Museum für Kommunikation Berlin
(April – September 2009)
Zum Vortrag:
Kalender und Tagebuch sind bewährte Mittel der Zeiterfassung und -erfahrung. Ihre Zeitlichkeit bewegt sich an der Grenze zwischen öffentlicher und privater Zeit, von Wiederkehr und Einmaligkeit, von Vergegenwärtigung und bloßer Notation. Heute sind sie fast veraltet, aber gerade dadurch geeignet, zum Material künstlerischer Verarbeitung zu werden: Uwe Johnson verwendet in "Jahrestage" eine verfremdete Tagebuchfiktion und stellt sie dem Kalender großer Ereignisse gegenüber Walter Kempowskis "Echolot" montiert aus zahllosen Einzeleinträgen ein kollektives Tagebuch. Beide entwerfen dabei nicht nur eine eigene Poetologie der Zeit, sondern auch eine Darstellung 'historischer Erfahrung' im postideologischen Zeitalter: Eine Erfahrung, die zwischen politischer Geschichte und persönlichem Erinnern, zwischen bedeutenden Momenten und dem immergleichen Alltag changiert und sich täglich neu konstituiert.
Daniel Weidner ist Leiter des Projekt Sakramentale Repräsentation und Leiter des Forschungsbereichs "Religion/Repräsentation".