Kriegstheater. Darstellungen von Krieg, Kampf und Schlacht in Drama und Theater seit der Antike
Kooperationsveranstaltung zwischen der LMU München und dem ZfL Berlin
In der frühen Neuzeit wird das europäische Kriegsgeschehen prominent in der Metaphorik des Theaters (theatrum belli) imaginiert. Diese verspricht einen klar reglementierten Ablauf, eine Übersicht und nicht zuletzt eine geordnete Darstellbarkeit von Kampf und Schlacht. Angesichts der überbordenden Theater-Semantik des Barock scheint das verständlich, mit Blick auf die Präsenz des Kriegs in der theatralen und in der dramatischen Tradition selbst muss der Befund indes überraschen.
Denn das Theater tut sich schon aus technischen Gründen ausgesprochen schwer, den Krieg unvermittelt auf die Bühne zu bringen. In der Regel stellt es Kampf und Schlacht über die Formen der Mauerschau oder des Botenberichts dar, so dass der Krieg seiner Sichtbarkeit zumindest seitens der Zuschauer hier prinzipiell entzogen bleibt. Die Tagung fragt nach dem Wechselspiel und nach dem Spannungsverhältnis zwischen der Metapher des Kriegstheaters in militärischen Diskursen und der theatralen und dramatischen Repräsentation des Kriegs im historischen Prozess. Ein deutlicher Schwerpunkt liegt dabei auf dem 17., 18. und frühen 19. Jahrhundert, da die Vorstellung des theatrum belli in dieser Zeit aufkeimt, da sie spätestens mit den Massenheeren und der geographischen Ausweitung der Schlachten seit den Kriegen der Französischen Revolution aber auch bereits obsolet wird. Zu untersuchen bleibt, ob die traditionelle Beschränktheit der dramatischen Kriegssicht dort eine neue Attraktivität gewinnt, wo sie sich mit der tendenziellen Unüberschaubarkeit der historischen Kriegsschauplätze trifft. Darüber hinaus versucht die Tagung zu klären, inwiefern mediale Techniken wie die Mauerschau und der Botenbericht reine Notbehelfe oder Verlegenheitslösungen bilden, oder sie umgekehrt einer eigenen Kriegsästhetik zuarbeiten, die auf nicht-literarische Formen der Kriegsimagination zurückzuwirken vermag. Dies gilt auch für die wirkungsästhetischen, affektpoetischen und politischen Korrelate der beiden Techniken.
Program
Donnerstag, 08.12.2016
14.30
Michael Auer (LMU München)/Claude Haas (ZfL): Begrüßung und Einführung
15.00–20.00
Sektion 1: Darstellungsprobleme des Kriegs im antiken Theater und in systematischer Perspektive
Moderation: Michael Auer
15.00
Susanne Gödde (FU Berlin): Zwischenräume. Der Zweikampf als Modell des Kriegs in Epos und Drama der griechischen Antike
16.00
Isabella Tardin Cardoso (Campinas, Brasilien u. Heidelberg): Dem Krieg eine Bühne! Zum theatrum belli in der römischen Literatur
Moderation: Claude Haas
17.30
Juliane Vogel (Konstanz): Triumphe im Kräftefeld des Krieges. Bemerkungen zu Kleists Penthesilea
Moderation: Eva Geulen
19.00 Öffentlicher Abendvortrag
Wolf Kittler (Santa Barbara, USA): Mauerschau, Kriegstheater, Schlachtplan
Freitag, 09.12.2016
9.30–13.00
Sektion 2: Krieg und Spiel auf den Bühnen der Frühen Neuzeit
Moderation: Claude Haas
9.30
Armin Schäfer (Bochum): Der Krieg als Spiel. Daniel Casper von Lohensteins Trauerspiele
10.30
Björn Quiring (FU Berlin): »God and not we hath safely fought today«. Theologisch-politische Undarstellbarkeiten in Shakespeares Kriegstheater
12.00
Romain Jobez (Poitiers, Frankreich u. Bochum): Krieg um die Paläste. Die poetologische Befriedung der Bühne und unterschwellige Konflikte im französischen Theater des 17. Jahrhunderts
14.30–19.00
Sektion 3: Das Kriegstheater vor und nach der Französischen Revolution
Moderation: Matthias Schwartz
14.30
Mona Körte (ZfL): Blutige Bühne? Kabinettskrieg und Frauenzimmer in Lessings Minna von Barnhelm
15.30
Johannes F. Lehmann (Bonn): Den Krieg im Rücken. Deserteure im Theater des 18. Jahrhunderts
Moderation: Daniel Weidner
17.00
Steffen Martus (HU Berlin): Die Ästhetik des Kriegs in Goethes Götz von Berlichingen
18.00
Michael Auer (LMU München): Schillers Kriege
Samstag, 10.12.2016
9.30–11.30
Fortsetzung Sektion 3
Moderation: Michael Auer
9.30
Hans-Christian von Herrmann (TU Berlin): »Diese Schwierigkeit richtig zu sehen« – die Napoleonischen Kriege im Theater (Kleist, Grabbe)
10.30
Michael Gamper (FU Berlin): Krieg als Zeitkampf. Eichendorffs Ezelin von Romano
12.00–17.30
Sektion 4: Nachspiele im 20. Jahrhundert
Moderation: Claude Haas
12.00
Hannah Wiemer (ZfL): Paul Scheerbarts Kriegstheater – Imaginationen eines entgrenzten Raums
Moderation: Michael Auer
14.00
Daniel Weidner (ZfL): Kriegsdarstellung und Gottesgericht in Karl Kraus' Die letzten Tage der Menschheit
15.00
Norbert Otto Eke (Paderborn): Weltuntergänge. Heiner Müllers und Lothar Trolles (Welt-)Kriegsszenarien
Moderation: Claude Haas
16.30
Maria Kuberg (ZfL): Der Krieg und der Chor im Theater Elfriede Jelineks
17.30
Ende der Tagung
Julius Schnorr von Carolsfeld: Wallensteins Lager (1809)