Material und Begriff. Arbeitsverfahren und theoretische Beziehungen Walter Benjamins
Förderpreis Walter Benjamin Nachwuchsworkshop
Gefördert durch International Walter Benjamin Society / Walter Benjamin Archiv / Zentrum für Literatur- und Kulturforschung Berlin
Walter Benjamins relativ geringen Wirkungs- und Veröffentlichungsmöglichkeiten zu Lebzeiten steht heute eine breite, internationale Rezeption gegenüber, die sein Werk häufig als das eines Außenseiters ansieht. Das damit einhergehende Benjamin-Bild eines ›nonkonformistischen‹ Intellektuellen hat dazu beigetragen, dass ein wesentliches Spezifikum seiner Arbeitsweise aus dem Blick geraten ist: seine Auseinandersetzung mit politischen Gruppierungen und sozialen Bewegungen entlang unterschiedlicher Materialien, v.a. Periodika und Monographien. In isolierenden und den Denker idealisierenden Lektüren geht nicht auf, was Benjamins Werk bis heute so interessant macht: seine konstruktive Arbeit am Begriff, die aus einem intensiven Studium eines heterogenen Materials, ja mitunter ganzer Materialsammlungen hervorging und darauf angewiesen war. Werden seine Texte als reine kultur-, literatur-, medientheoretische oder philosophische Abhandlungen gelesen, entgeht dieser methodische Aspekt seines Denkens und Arbeitens.
Der Workshop fragt nach dem Verhältnis von Benjamins Arbeit am Material und seiner in dieser Arbeit gründenden begrifflichen Reflexion. Den Ausgangspunkt bilden Benjamins Arbeitskonvolute , die sich mit sozialhistorischen und politischen Themen befassen; dabei gilt es, diese weder als bloße Sammlungen noch als Steinbruch zu lesen, aus dem beliebig Passagen in eine vorausgesetzte Theorie projektiv integriert werden, sondern Benjamins Methode soll durch die wechselseitige Konfrontation von beidem – Materialsammlungen und Quellen einerseits mit der Theorie und den entwickelten Begriffen andererseits – an Beispielen herausgearbeitet werden. Über die in den Arbeitskonvoluten genannten Quellen hinaus sind weitere von Bedeutung, über deren Studium Benjamin in Briefen berichtet. Benjamin war ein intensiver Leser von Zeitungen und Zeitschriften. Dieser Aspekt seines Arbeitens ist umso wichtiger, als er in seiner Schreibweise einschließlich der von ihm verwendeten Begriffe die jeweiligen Veröffentlichungskontexte seiner Arbeiten berücksichtigte und zugleich versuchte, kritisch in sie hineinzuwirken. Eine zumindest kursorische Lektüre der Zeitschriften, in denen Benjamin veröffentlichen konnte, war für ihn daher ebenso unumgänglich wie eine Positionierung zu ihrer Programmatik.
Programm
Freitag, 24.03.2017
18.00–19.00 Öffentlicher Abendvortrag
Ort: ZfL, Trajekte-Tagungsraum
Stephan Pabst (Universität Jena): Der sowjetische Goethe. Walter Benjamins Goethe-Artikel für die Große Sowjetische Enzyklopädie
Samstag, 25.03.2017
Workshop »Material und Begriff. Arbeitsverfahren und theoretische Beziehungen Walter Benjamins«
Ort: ZfL, Seminarraum
Teilnahme nur mit vorheriger Anmeldung unter contact@benjaminsmaterial.org
9.00–9.30
Jan Loheit (Universität Jena/Frankfurt/O): Kurze Einführung in den Workshop
9.45–12.15 Panel I
Martin Hammer (Universität Hannover), Johannes Neitzke (HU Berlin): Hermann Cohens Theorie des Urteils des Ursprungs und dessen kritische Bearbeitung durch Walter Benjamin
13.30–16.00 Panel II
Nicos Tzanakis-Papadakis (FU Berlin), Manuel Disegni (FU Berlin/Turin): Vom Recht zur Geschichte. Benjamins Rezeption von Carl Schmitt
16.30–19.00 Panel III
Enrico Rosso (Universität Potsdam), Caroline Adler (HU Berlin): „Das Kreatürliche gerade dadurch sprechen zu lassen“. Benjamins Moskau-Essay im Kontext der Zeitschrift „Die Kreatur“
Sonntag, 26.03.2017
10.00–13.00 Panel IV
Konstantin Baehrens (Universität Potsdam), Sam Stark (University of Pennsylvania), Frank Voigt (Universität Osnabrück): Zu Benjamins und Lukács’ Kritik der II. Internationale
14.30–17.00 Panel V
Lotte List (FU Berlin/Kopenhagen), Anna Migliorini (Paris): Dialektik der Utopie – die ewige
Wiederkunft und der Fall Blanqui
17.30–20.00 Panel VI
Noa Levin (Kingston University/London), Georgios Sagriotis (Universität Osnabrück/Brown University): Montage. Kritik. Ironie. Benjamins Brecht-Rezeption
ab 20.15 Abschlussdiskussion