Eva Geulens Text dokumentiert ihren Beitrag zu der vom Deutschen Literaturarchiv Marbach am 24. März 2021 virtuell veranstalteten Tagung »#LiteraturarchivDerZukunft«. Er wurde ursprünglich als Replik auf die dort diskutierte These 3 entworfen: »Literaturarchive schaffen den literarischen und intellektuellen Kanon mit: Das Archivieren in die Zukunft setzt die stetige Diskussion der Entwicklungen in Literatur und den öffentlich wirksamen Bereichen von Wissenschaft und ein Diskutieren der Kriterien dessen voraus, was es zu archivieren gilt – und was nicht.«
›Archivieren in die Zukunft‹ – was heißt das? Man kann in die Zukunft investieren, wie man in Aktien oder erneuerbare Energien investiert, in der Hoffnung auf spätere Gewinne der einen oder anderen Art. Aber ist das Archiv, in dem automatisch zu Vergangenheit und Geschichte wird, was da einmal gelandet ist, auch eine Investition in die Zukunft? Mit Aussichten auf Gewinne für spätere Forschung und erneuerbare Literaturen?
https://www.zflprojekte.de/zfl-blog/2021/04/20/eva-geulen-archivieren-in-die-zukunft/
Claude Haas: WAS IST STIL UND WIE SAGT MAN ES AM BESTEN?
Zu den größten Zumutungen, die uns das 18. Jahrhundert vererbt hat, gehört eine streng individualistische Vorstellung des literarischen Stils. Stil soll keinem erlernbaren Regelwerk entstammen, sondern den Aus- wie Abdruck einer einzigartigen schreibenden Person bilden. In den letzten Jahrzehnten hatte die Literaturwissenschaft diese Provokation in immer neuen Anläufen zurückzuweisen oder wenigstens in Schach zu halten versucht. Mit einer an Roland Barthes oder an Michel Foucault angelehnten Verabschiedung des ›Autors‹ (wie schreibende Personen seinerzeit noch genannt wurden), schien sich auch die Frage nach dem literarischen Stil weitgehend erledigt zu haben. Stil und Autorschaft galten vielen als kulturelle Mystifikation. Nun wurde in der Literaturwissenschaft der letzten Jahre eine »Wiederkehr« nach der anderen ausgerufen, und da dürfen natürlich auch Stil und Autor nicht fehlen.
Georg Dickmann: »Zu zweit schreiben ist ein Witz, ein gewolltes Missverständnis«. ZU ARMEN AVANESSIANS UND ANKE HENNIGS KOLLABORATIVER POETIK
»Schreiben im Werden«, wie es Gilles Deleuze im Dialog mit Claire Parnet definiert hat, ist eine Form radikaler Entgrenzung und Öffnung auf ein neues Schreiben hin, das sich gegen die Einschränkungen linearer Narrative und eines mit sich selbst identischen Schriftsteller*innenbegriffs richtet. Wie wir wissen, haben Deleuze & Guattari lange Jahre versucht, dieses gemeinsame Schreiben im Werden zu praktizieren. Das große Versprechen eines solchen Schreibens zu zweit lag darin, ein flexibles, nomadisches Subjekt hervortreten lassen, das nicht an Gattungs- und Genregrenzen gebunden ist. Die Hoffnungen, damit ein neues Schreiben zu verwirklichen, haben sich jedoch nicht erfüllt, da das Werden und die Vielstimmigkeit in den gemeinsam geschriebenen Büchern letztlich hinter einem souveränen und mit sich selbst identischen Autorensubjekt verschwanden. Insbesondere die postmodernen Erwartungen an subversive Praktiken wie Wandlungsfähigkeit und Flexibilität sind heute von der neoliberalen Maschine verstanden und absorbiert worden. An den Universitäten sind Kreativität und Flexibilität schon längst zu gefragten Soft Skills avanciert.
Der ZfL BLOG ist 2017 aus dem Arbeitskreis Bloggen in den Geisteswissenschaften am ZfL hervorgegangen. Die Rubrik AD HOC reagiert auf aktuelle Debatten; EINBLICK versammelt Beiträge aus laufenden Forschungsprojekten; LEKTÜREN liefern genau das; SAG MAL! präsentiert die Menschen, die hinter der Forschung stecken. Außerdem enthält der Blog Beiträge zu unseren JAHRESTHEMEN. Die Beiträge des Blogs, die in unregelmäßigen Abständen erscheinen (ca. 30 pro Jahr) stammen vor allem von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des ZfL, aber auch von Gästen und Kolleginnen und Kollegen aus dem In- und Ausland. Die meisten der Beiträge sind auf Deutsch, einige auf Englisch verfasst.
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