ZfL INFO 54/2020: Vorträge und Podiumsdiskussion: Hölderlin und Hegel heute
Hölderlin und Hegel heute
Was haben Hölderlin und Hegel heute noch oder wieder mit uns zu tun? Gewiss immer noch virulent ist die Frage nach dem Verhältnis von Literatur und Philosophie. Man macht es sich zu einfach, wenn man dem einen die Literatur zuweist und dem anderen die Philosophie. Denn Hölderlin war aller Wahrscheinlichkeit nach der Autor des Ältesten Systemprogramms des deutschen Idealismus, und die Frage nach der Rolle des Dichters im Gemeinwesen und der Geschichte war für ihn von philosophischem Rang. Hegels Vorlesungen zur Ästhetik (bzw. deren verschiedene Mitschriften) wie die Phänomenologie des Geistes räumen der Kunst enorme Bedeutung für den Verlauf der Geschichte ein und ihre zum Teil sehr ausführlichen Abhandlungen verraten neben Kenntnissen auch Sensibilitäten (übrigens auch einen Faible für populäre Genres).
Bei Hegels und Hölderlins Naturverständnis zeichnen sich dagegen deutliche Differenzen ab. Hegel schloss das Naturschöne aus der Ästhetik aus. Für Hölderlin ist die Natur nicht das Andere des Geistes, sondern eins seiner vornehmsten Produkte. Da ist uns Hölderlin heute gewiss näher als Hegel.
Lokal und Global: Hegel und Hölderlin haben in der schwäbischen Provinz angefangen. Der eine lehrte schließlich in Berlin, der andere kehrte nach Tübingen zurück. Beide haben Entwürfe entwickelt, die ins Weltgeschichtliche ausgreifen. Ihre Geschichtsphilosophien haben globale Dimensionen. Gibt es hier nach den vielen Verabschiedungen der Geschichtsphilosophie (O. Marquard) für uns überhaupt noch Anknüpfungspunkte? Oder ist uns seit einiger Zeit neu zu Bewusstsein gekommen, dass Lokales und Globales unmittelbar zusammenhängen und das ›Schwerste der Gebrauch des Eigenen‹ ist (Hölderlin an Böhlendorff 1801)?
Das führt zu Fragen ihres Politikverständnisses. Einem inzwischen geflügelten Wort zufolge sah Hegel in Napoleon den Weltgeist zu Pferde und wurde im Übrigen zum Philosophen des preußischen Staates. Hölderlins ›vaterländische Gesänge‹ waren in den Weltkriegen populär. Begonnen haben beide mit Begeisterung für die Französische Revolution. Können wir mit dem, was die beiden zur Revolution, zu Staat, Nation und Gemeinschaft sagen, heute noch oder wieder etwas anfangen?
Programm
- Vortrag Klaus Vieweg (Professor für Philosophie, Friedrich-Schiller-Universität Jena): Hegel und Hölderlin – Das »Älteste Systemprogramm des Deutschen Idealismus«
- Vortrag Daniela Danz (Schriftstellerin, Kranichfeld): »der Heimath und der Schwere spottend«, »vaterländisch und [...] eigentlich originell«, »die unbeholfene Wildniß« – Einige Gedanken über drei zentrale Begriffe in Hölderlins Spätwerk
- Podiumsdiskussion: Daniela Danz und Klaus Vieweg sprechen mit Patrick Eiden-Offe (ZfL) und Martin Sabrow (Direktor des Leibniz-Zentrums für Zeithistorische Forschung Potsdam und Professor für Neueste Geschichte und Zeitgeschichte, Humboldt-Universität zu Berlin) über »Hölderlin und Hegel heute«. Es moderiert Eva Geulen (ZfL).
Die Vorträge und das Gespräch werden am 9. Dezember 2020 im ZfL aufgezeichnet und in der Folgewoche auf der Webseite des ZfL und seinem Youtube-Kanal online gestellt.
Die Veranstaltung wird gefördert mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung.
https://www.zfl-berlin.org/veranstaltungen-detail/items/hölderlin-und-hegel-heute.html