Prof. em. Carlo Ginzburg
Honorary Member des ZfL, Professor emeritus für Europäische Kulturgeschichte der Scuola Normale Superiore Pisa (Italien)
Zur Person / Vita
Carlo Ginzburg war – nach Stationen in Rom, Bologna und Lecce – von 1988 bis 2006 Franklin D. Murphy Professor of Italian Renaissance Studies an der University of California (UCLA). Fellowships führten ihn u.a. nach Princeton, Paris, Chicago, an das Londoner Warburg Institute, das Getty Center, das Wissenschaftskolleg zu Berlin, die Columbia University und die Siemens Stiftung in München. Ginzburg ist Ehrenmitglied der American Academy of Arts and Sciences, korrespondierendes Mitglied der British Academy, Mitglied der Accademia Raffaello, Urbino, und Honorary Member des ZfL. Für sein Werk wurde er u.a. mit dem Premio Salento, dem Premio Viareggio, dem Aby-M.-Warburg-Preis der Stadt Hamburg sowie dem renommierten Balzan-Preis (2010) ausgezeichnet. Auf Vorschlag des ZfL erhielt Carlo Ginzburg 2008 Humboldt-Forschungspreis, dessen Mittel er für mehrere Forschungsaufenthalte am ZfL nutzte.
Carlo Ginzburg ist einer der international bekanntesten Historiker unserer Zeit. Seine philologisch geschulten Untersuchungen sind vor allem dem Mittelalter und der Frühen Neuzeit gewidmet, reichen aber bis in die Gegenwart hinein. Als Mitbegründer der Microstoria, der Mikrogeschichte, gelingt es ihm, Ideen, Mentalitäten oder kulturelle Muster durch die intensive Analyse einer Person, eines Ereignisses oder eines Ortes zu erhellen. Ob es um das Weltbild eines ketzerischen Müllers um 1600 geht, das Ginzburg aus Inquisitionsakten rekonstruiert, um die Interpretation von Picassos »Guernica« oder um erkenntnistheoretische Fragen der historischen Perspektivik: In seinem in mehr als fünfzehn Sprachen übersetzten Werk erforscht er mit geradezu detektivischer Akribie die Quellen, Spuren und Bilder der Geschichte.
Veranstaltungen mit Carlo Ginzburg am ZfL
- Podiumsgespräch, 7.7.2009
Actors of History. Georges Didi-Huberman und Carlo Ginzburg im Gespräch - Mittwochsvortrag, 11.7.2007
Fear, Reverence, Terror. Reading Hobbes Today
Publikationen
Monographien (Auswahl)
- Old Thiess, a Livonian Werewolf. A Classic Case in Comparative Perspective. Chicago/London: The University of Chicago Press 2020 (mit Bruce Lincoln)
- Nondimanco. Machiavelli, Pascal. Milano: Adelphi edizioni 2018
- Paura reverenza terrore. Milano: Adelphi 2015
- Il filo e le tracce. Vero falso finto. Milano: Feltrinelli 2006
[Übersetzung: Faden und Fährten. Wahr, falsch, fiktiv. Berlin: Wagenbach 2013] - Rapporti di forza. Milano: Feltrinelli 2001
[Übersetzung: Die Wahrheit der Geschichte. Rhetorik und Beweis. Berlin: Wagenbach 2001] - Das Schwert und die Glühbirne. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1999
- Occhiacci di legno. Nove riflessioni sulla distanza. Milano: Feltrinelli 1998
[Übersetzung: Holzaugen. Über Nähe und Distanz. Berlin: Wagenbach 1999] - Storia notturna. Una decifrazione del sabba. Turin: Einaudi 1989
- [Übersetzung: Hexensabbat. Entzifferung einer nächtlichen Geschichte. Berlin: Wagenbach 2005]
- Il formaggio e i vermi. Turin: Einaudi 1976
[Übersetzung: Der Käse und die Würmer: Die Welt eines Müllers um 1600. Frankfurt a.M.: Syndikat 1979]
Aufsätze (ZfL)
- Getrud Bing über Aby Warburg und eine Philologie der Überlieferung, in: ZfL Blog, 25.2.2020
- Seitenblicke. Anmerkungen zu einem Brief von Machiavelli, in: Sigrid Weigel (Hg.): Gesichter. Kulturgeschichtliche Szenen aus der Arbeit am Bildnis des Menschen. München: Wilhelm Fink 2013, 245–259 (mit Christine Kutschbach)
- The Bord of Shame, in: Corina Caduff, Anne-Kathrin Reulecke, Ulrike Vedder (Hg.): Passionen. Objekte – Schauplätze – Denkstile. München: Wilhelm Fink 2010, 19–27
- Vergegenwärtigung des Feindes. Zur Mehrdeutigkeit historischer Evidenz, in: Trajekte. Zeitschrift des Zentrums für Literatur- und Kulturforschung Berlin 16 (2008), 7–17
- Auerbach und Dante: Eine Verlaufbahn, in: Karlheinz Barck, Martin Treml (Hg.): Erich Auerbach. Geschichte und Aktualität eines europäischen Philologen. Berlin: Kadmos 2007
- Das Nachäffen der Natur. Reflexionen über eine mittelalterliche Metapher, in: Anne-Kathrin Reulecke (Hg.): Fälschungen. Zu Autorschaft und Beweis in Wissenschaften und Künsten. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 2006, 95–122
- Familienähnlichkeiten und Stammbäume. Zwei kognitive Metaphern, in: Sigrid Weigel, Stefan Willer, Ohad Parnes, Ulrike Vedder (Hg.): Generation. Zur Genealogie des Konzepts – Konzepte von Genealogie. München: Wilhelm Fink 2005, 267–289
- Spie. Radici di un paradigma indiziaro, in: Aldo Gargani (Hg.): Crisis della ragione. Turin: Einaudi 1979, 57–106
[Übersetzung: Spurensicherung. Die Wissenschaft auf der Suche nach sich selbst. Berlin: Wagenbach 1995]
Foto: © Amélie Losier