Prof. Michail Ryklin
Honorary Member des ZfL, Professor am Institut für Philosophie der Russischen Akademie der Wissenschaften in Moskau (Russland)
Zur Person / Vita
Michail Ryklin ist Professor am Institut für Philosophie der Moskauer Akademie der Wissenschaften und leitet dort seit 1997 den Fachbereich »Philosophische Anthropologie«. Ryklin studierte Philosophie und Ästhetik an der Staatlichen Universität Moskau u.a. bei Merab Mamardaschwili und promovierte 1978 mit einer Arbeit über Claude Lévi-Strauss und Jean-Jacques Rousseau. Zahlreiche Gastprofessuren führten ihn u.a. nach Paris, Strasbourg, New York und Berlin. Seit 1994 ist er Mitglied der New York Academy of Sciences und seit 2008 Honorary Member des ZfL.
Michail Ryklin repräsentiert ein Denken an der Peripherie ideologischer Diskurse. Mit seinen philosophischen Analysen von Terrorsystemen macht er die Problematik des Terrors in der stalinistischen Sowjetunion und im post-stalinistischen Russland zum Thema (s)einer Philosophie, die eine »Lücke im westlichen Archiv« füllt. Sein Denkhorizont ist orientiert an Problemen der Geschichte der wechselseitigen Wahrnehmung zwischen Russland und Westeuropa. Anfang der 1980er Jahre war Ryklin einer der Mitbegründer des Moskauer Verlags Ad Marginem, in dem u.a. die russische Erstübersetzung von Heideggers Sein und Zeit erschien. Er übersetzte und edierte u.a. Gilles Deleuze, Jacques Derrida, Michel Foucault, Roland Barthes, Claude Levi-Strauss, Theodor W. Adorno und Walter Benjamin. So trug er maßgeblich zur Verbreitung westeuropäischer Gegenwartsphilosophie in Russland bei.
Als ständiger Mitarbeiter von Lettre International ist er international in den letzten Jahren zu einem der renommiertesten Publizisten im Spannungsfeld zwischen Ost und West geworden. Sein 2006 in Deutschland erschienenes Buch Mit dem Recht des Stärkeren. Russische Kultur in Zeiten der ›gelenkten Demokratie‹ wurde 2007 mit dem Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung ausgezeichnet.
Veranstaltungen mit Michail Ryklin am ZfL
- Mittwochsvortrag, 16.1.2002
Die strukturelle Anthropologie von Lévi-Strauss und das sowjetische semiotische Projekt
Publikationen
Monographien (Auswahl)
- Обреченный Икар. Красный Октябрь в семейной перспективе. Москва: Новое литературное обозрение 2017
[Übersetzung: Leben, ins Feuer geworfen. Die Generation des Großen Oktobers. Berlin: Suhrkamp 2019] - Пристань Диониса. Книга Анны. Москва: Логос 2013
[Übersetzung: Buch über Anna. Berlin: Suhrkamp 2014] - Коммунизм как религия. Интеллектуалы и Октябрьская революция. Москва: Новое литературное обозрение 2009
[Übersetzung: Kommunismus als Religion. Die Intellektuellen und die Oktoberrevolution. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 2008] - Свастика, Крест, Звезда. — Москва: Логос 2006
[Übersetzung: Mit dem Recht des Stärkeren. Russische Kultur in Zeiten der ›gelenkten Demokratie‹. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 2006] - Verschwiegene Grenze. Briefe aus Moskau 1995–2003. Berlin: Diaphanes 2003
- Деконструкция и Деструкция. Беседы с Философами. Москва: Логос 2002
[Übersetzung: Dekonstruktion und Destruktion. Zürich: Diaphanes 2006] - Пространства ликований. Тоталитаризм и различие. — Москва: Логос 2002
[Übersetzung: Räume des Jubels. Totalitarismus und Differenz. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 2003]
Aufsätze (Auswahl)
- Auf den Flügeln der befreiten kollektiven Rede, in: Osteuropa 8–10 (2016), 147–148
- »Die Wurzeln gekappt…«. Die Poesie im Leben von Anna Altschuk, in: Anna Altschuk: schwebe zu stand. Gedichte. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 2010
Aufsätze (ZfL)
- Lager und Krieg. Die Geschichte der Besiegten nach Warlam Schalamow, in: Franziska Thun-Hohenstein (Hg.): Warlam Schalamow: Künstler der Schaufel. Erzählungen aus Kolyma 3. Berlin: Matthes & Seitz 2011
- Russisches Schibboleth, in: Magdalena Marszałek, Sylvia Sasse (Hg.): Geopoetiken. Geographische Entwürfe in den mittel- und osteuropäischen Literaturen. Berlin: Kulturverlag Kadmos 2011, 289–301
- Varlam Salamovs Erzählungen aus dem GULAG – das Martyrium des nackten Lebens, in: Sigrid Weigel (Hg.): Märtyrer-Porträts. Von Opfertod, Blutzeugen und heiligen Kriegern. München: Wilhelm Fink 2007, 287–290
Foto: © Amélie Losier