Formen und Funktionen von Weltverhältnissen

Das Projekt verhandelte aus verschiedenen Perspektiven Korrelationen literarischer Formbegriffe und Weltvorstellungen, unter anderem über Modelle von Ganzheit und mit Blick auf (eschatologische) Zeit- und Geschichtsauffassungen. Es trug damit zu einer Verhandlung des Weltbegriffs jenseits der Weltliteratur-Debatte im Forschungsschwerpunkt Weltliteratur bei. Unter der Voraussetzung, dass historische Vorstellungen von ›Welt‹ anhand konkreter Denkformen zu erforschen sind, widmete sich das Projekt künstlerischen und literarischen Darstellungen sowie der Literaturtheorie. Der Fokus des Gesamtprojekts lag auf dem frühen 20. Jahrhundert, in einzelnen Projekten wurde aber zugleich die Frage nach Diskursaktualisierungen der Debatten des 18. Jahrhunderts in der Zeit um 1900 aufgeworfen.

Als das weltgestaltende Potential von Kunst und Literatur wurde hier nicht Welthaltigkeit verstanden, also nicht ein ›realistischer‹ Inhalt oder eine mimetische Abbildung von Welt, sondern die selbstreflexive Konstitution von ›Kunst‹ oder ›Literatur‹ als Gegenstand der Avantgarden und der Literaturtheorie. Das Projekt ging davon aus, dass in der krisenhaften Moderne ein Zusammenhang besteht zwischen der Ablösung von einem Weltbegriff, der als Inbegriff eines sinnvoll gegliederten Ganzen gilt, und der Zerschlagung von tradierten Werk- und anderen Ganzheitsvorstellungen, die gleichfalls Totalität und Harmonie suggerieren oder beschwören.

Das Projekt gliederte sich in mehrere Teilprojekte, die den Zeitraum von 1900 bis 1930 abdecken. Das Teilprojekt Messias des Unfugs: Der Oberdada Johannes Baader (1875–1955) widmete sich dem Dadaisten Johannes Baader und eröffnet mithin den Kontext der frühen Avantgarden und der Bedeutung messianischer Geschichtsauffassungen an der Schnittstelle von christlicher Tradition und säkularer Moderne in ihnen (Lutz Greisiger).

Das Teilprojekt Formalismus und die Materialistische Tradition. Literatur, Politik, Ontologie beschäftigte sich mit dem russischen Formalismus im Hinblick auf die Beziehungen zwischen Literatur und Ontologie. Als außerakademische Literaturtheorie setzte sich der russische Formalismus sowohl mit den Avantgarden wie mit dem Marxismus auseinander (Siarhei Biareishyk).

Das Projekt Das Werk als Welt – die Welt als sprachliches Feld. Das Konzept der ›inneren Form‹ in der Literaturtheorie des frühen 20. Jahrhunderts untersuchte Spannungen zwischen Gattungs- und Formtheorie, insbesondere im Hinblick auf zeitliche Konzeptionen, die für den Form- wie Weltbegriff von Bedeutung sind (Eva Axer).

Das Teilprojekt Aggregate, System, Nexus: Theory of Aesthetic Modernism befasste sich mit mereologischen Fragen bzw. neuen Konzepten eines morphologischen Zusammenhangs in der Theorie der ästhetischen Moderne, namentlich bei Schönberg, Kandinsky und Döblin (Ross Shields).

Programmförderung Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) 2017–2019
Leitung: Eva Axer
Bearbeitung: Siarhei Biareishyk, Lutz Greisiger, Ross Gillum Shields

Publikationen

Eva Axer

Siarhei Biareishyk

  • Modal Wholes: the Lucretian Tradition, in: Eva Geulen, Claude Haas (Hg.): Formen des Ganzen. Göttingen: Wallstein 2022, 271–290
  • Rethinking Romanticism with Spinoza: Encounter and Individuation in Novalis, Ritter, and Baader, in: The Germanic Review: Literature, Culture, Theory 94.4 (2019), 271–298
  • Die Überdeterminierung des Ganzen, im: Faltblatt zum Jahresthema des ZfL »Formen des Ganzen« (2018). In englischer Übersetzung veröffentlicht: The Overdetermination of the Whole, in: ZfL Blog, 26.11.2018

Lutz Greisiger

  • From »King Heraclius, faithful in Christ« to »Allenby of Armageddon«: Christian Reconquistadores Enter the Holy City, in: Konstantin Klein, Johannes Wienand (Hg.): City of Caesar, City of God: Constantinople and Jerusalem in Late Antiquity. Berlin: de Gruyter (voraussichtlich 2022)
  • »Und der Wolf wird beim Lamm weilen und der Leopard beim Böckchen lagern«: Selbst- und Fremdbilder in Gesprächsprotokollen aus den Reisetagebüchern der Missionare des Institutum Judaicum und deren Interpretation in der Forschung, in: Grit Schorch, Brigitte Klosterberg (Hg.): Mission ohne Konversion? Studien zu Arbeit und Umfeld des Institutum Judaicum et Muhammedicum in Halle (Hallesche Forschungen 51). Halle: Verlag der Franckeschen Stiftungen Halle 2019, 87–98
  • Apokalypse, in: Falko Schmieder, Georg Toepfer (Hg.): Wörter aus der Fremde: Begriffsgeschichte als Übersetzungsgeschichte. Berlin: Kulturverlag Kadmos 2018

Ross Shields

Veranstaltungen

Vortrag
30.10.2019 · 19.00 Uhr

Lutz Greisiger: Ein zu Unrecht vergessener Zehlendorfer. Der Dadaist Johannes Baader

Heimatmuseum Zehlendorf, Clayallee 355, 14169 Berlin

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Internationale Konferenz
23.09.2019 – 25.09.2019

Politics – History – Eschatology. Functional, Inter(con)textual, Structural, and Comparative Approaches to Gog and Magog

Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Bismarckstraße 1, 91054 Erlangen, Raum C 202

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Workshop
27.06.2019

Dynamic Form

ZfL, Schützenstr. 18, 10117 Berlin, Aufgang B, 3. Et., Seminarraum 303

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Seminar auf der 42. GSA Jahreskonferenz
27.09.2018 – 30.09.2018

Literary Morphology. Theories of Dynamic Form before and after Goethe

Wyndham Grand Pittsburgh Downtown, 600 Commonwealth Pl, Pittsburgh 15222 (USA)

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Interner Workshop
31.05.2018 – 01.06.2018

Die ›neuen Formalismen‹ – Form, Geschichte, Gesellschaft

ZfL, Schützenstr. 18, 10117 Berlin, Seminarraum 303

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Vortrag
29.03.2018 – 04.04.2018

Siarhei Biareishyk: ›Materialism without Matter‹ between Jacobi and Marx

University of California, Los Angeles, Kalifornien 90095 (USA)

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