Hereditäre Chorea. Test – Diagnostik – Prognostik
Das Forschungsprojekt hat sich im Hinblick auf ethische Implikationen aktueller Diagnoseverfahren und Behandlungsweisen bei nicht heilbaren Krankheiten mit der Hereditären Chorea auseinandergesetzt, einer erstmals 1872 von George Huntington beschriebenen, dominant vererbbaren neurodegenerativen Krankheit (auch Huntington-Krankheit oder umgangssprachlich Veitstanz genannt).
Das Projekt hat zum einen die soziale und medizinische Konstruktion untersucht: Wie ging man mit Huntingtonkranken um, bevor eine präzise Nosologie vorlag? Wurden sie stigmatisiert, oder galten sie als Verkörperungen sozialer Ängste oder gar als Auserwählte? Im Anschluss an die genealogische Rekonstruktion wurden zudem aktuelle Umgangsweisen mit der Hereditären Chorea untersucht, die jeden familiär Vorbelasteten zu einer Risikoperson macht, die zu 50 % mit einer Huntington-Zukunft rechnen muss. Seit 1993 ist ein präsymptomatischer Gentest auf dem Markt, der es erlaubt zu bestimmen, ob die Krankheit bei einer Person ausbrechen wird oder nicht. Diese neue Feststellbarkeit ist aber problematisch, denn der Test diagnostiziert nicht im eigentlichen Sinne, er prognostiziert vielmehr die Art der eigenen Zukunft und wirft damit u.a. Fragen nach dem Recht auf Wissen und Nichtwissen, auf Anonymität, aber auch nach der Verantwortung gegenüber kommenden Generationen auf.
Das Projekt stellte ausgehend von der komplexen wissenspolitischen sowie ethischen Problematik, die sich in dieser Testsituation kristallisiert, unter anderem folgende Fragen: Welche Richtlinien leiten die Medizin in ihrer Stellung zwischen Labordiagnostik und Diagnoseoffenbarung an? Wie geht die Medizin damit um, wenn ihr die Mittel dazu fehlen, die Wiederherstellung eines ›Normalzustands‹ anzustreben?
Publikationen
Mit einem Vorwort von Alice Wexler und einem Nachwort von Isabelle Stengers, übersetzt von Damien Bright