Interferenzen von Technizität, literarischer Form und Theorie seit den 1950er Jahren
Seit der Nachkriegszeit, so die Ausgangsbeobachtung des Projekts, stellt sich die ›Frage der Technik‹ in einem neuen und zugespitzten Sinn. Weithin geteilt wird die Diagnose, dass sich ein riskanter Rückstand des theoretischen Denkens gegenüber den Phänomenen der Technik verzeichnen lasse, der dringlich aufzuholen sei, wenn man sich »seinem Zeitalter gewachsen« (M. Bense) zeigen wolle. Dabei wird teils der Schulterschluss mit zeitgenössischen Innovationen, etwa der Etablierung der Kybernetik, gesucht; vor allem aber wird eine weitreichende Auseinandersetzung mit den geistesgeschichtlichen Voraussetzungen und Implikationen des technischen Denkens in Gang gesetzt. Zudem entsteht unter diesen Vorzeichen eine erhöhte Aufmerksamkeit für die »Sprachsituation der Gegenwart« (H. Blumenberg) sowie die »Sonderstellung«, die die philosophischen Aussageformen und die poetische Sprache darin einnehmen.
Den Rahmen des Projekts bildete die übergreifende Frage, wie sich im Zuge der skizzierten Entwicklungen neue Knotenpunkte und Konfliktlinien im Verhältnis von Philosophie, Technik und Literatur herausbilden. In Hinsicht auf ein reformuliertes Technikverständnis sind solche Positionen von Interesse, die, wie etwa bei Hans Blumenberg und unter anderen Prämissen bei Gilbert Simondon, einen erweiterten Begriff von Technik bzw. Technizität geltend machen und diesen zum Angelpunkt einer revidierten Auffassung von Wirklichkeit werden lassen. Zur Diskussion steht eine Wirklichkeit, in der zwischen Natur und künstlich Gemachtem nicht mehr zuverlässig unterschieden werden kann, und somit ein Befund, der signifikante Umdeutungen klassischer geisteswissenschaftlicher Fragestellungen mit sich führt. Vorrangig für die Arbeit waren dabei zunächst die je neu zur Disposition gestellten Begriffe des – ästhetischen wie technischen – Herstellens und Hervorbringens, und damit verbunden entsprechende Verschiebungen in der Konzeption von Autorschaft und dem ›Gemachtsein‹ des produzierten Werks. In einem weiteren Schritt wurde die Kategorie des Sinns als ein moderner Krisenherd par excellence in den Blick genommen. Die Sphäre der Technik, seit Husserl mit dem Verdikt des Sinnverlusts belegt, wurde dabei in Bezug gesetzt zu den Komplexionen des Sinns, die in der als modern ausgewiesenen Literatur am Werk sind. Unter diesem Gesichtspunkt wurden die – in sich freilich alles andere als homogenen – Kanonisierungsprozesse der Lyrik als einer ›paradigmatisch‹ modernen Gattung untersucht.