Ortsschriften Peter Handkes

Die Dissertation Ortsschriften Peter Handkes zeigt zum einen, auf welche Weise die moderne Kriegs- und Vernichtungsgeschichte die Bücher Peter Handkes durchzieht, zum anderen, in welchen Dimensionen Entwicklungen der unmittelbaren Gegenwart, die unter dem Begriff »Globalisierung« zusammengefasst werden können, Handkes Ortsschriften tangieren beziehungsweise von ihnen sowohl aufgenommen als auch imaginiert werden.

Die Arbeit fügt der umfangreichen Forschung zur Frage, wie nach 1945 ein Weiter-Schreiben möglich ist, eine Untersuchung hinzu, die das diesbezügliche Schreibverfahren eines der bedeutendsten Autoren der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur herausarbeitet: Die Kontrastierung der Beschreibung von friedlichen Orten mit den verdrängten Spuren ihrer Gewaltgeschichte strukturiert seine Texte bis heute. Insofern eine Literaturwissenschaft, die sich den Prozessen der Globalisierung stellt, nach wie vor, wie Patrick Ramponi schreibt, noch in den Kinderschuhen steckt, zumindest im Hinblick auf eine Literatur, die nicht zur postkolonialen gehört, betritt die Arbeit Neuland. Legt sie doch einen Versuch vor, eine Literatur ohne Migrationshintergrund im Rahmen von Globalisierungsdiskursen zu interpretieren.

Die Untersuchung schließt eine Lücke in der Handke-Forschung. Erstmals werden Handkes Arbeiten von 1963 bis 2010 als Gesamtkorpus interpretiert und den Aufsätzen zu einzelnen Orten eine systematische Abhandlung der Orte im Paradigma der Topographie zur Seite gestellt. Dies erlaubt eine Korrektur der festgefahrenen Kritik sowie eine Neubewertung der Bedeutung der Orte für Handke. Sie entwickelt zudem eine – angesichts von bisher über 70 Veröffentlichungen enorm fruchtbare – Poetologie, in der die Ortsbe- und Ortserschreibungen zur Voraussetzung der Literatur werden. So wird Handkes Literatur als Teil einer Literatur lesbar, zu deren zentralen Schreibanlässen die Problematiken der Nachkriegsliteratur und die Ortsveränderungen im Zeitalter der Globalisierung zählen.

 

ZfL-Promotionsstipendium 2008–2010
Leitung: Christian Luckscheiter

Publikationen

Christian Luckscheiter

Ortsschriften Peter Handkes

Kulturverlag Kadmos, Berlin 2012, 265 Seiten
ISBN 978-3-86599-177-5

Christian Luckscheiter

  • Die Geschichtlichkeit der anderen Geschichte. Zu Peter Handkes Orts- und Zeittafeln, Rez. zu: Peter Handke: Meine Ortstafeln – Meine Zeittafeln. Essays 1967–2007, und: Noch einmal für Thukydides, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 2007, in: www.literaturkritik.de, Mai 2008
  • Formen des Beheimatens in der Heimatlosigkeit. Peter Handkes Erzählwelt und Heimat ›um 2000‹, in: Gunther Gebhard, Oliver Geisler, Steffen Schröter (Hg.): Heimat. Konturen und Konjunkturen eines umstrittenen Konzepts. Bielefeld: transcript 2007, 179–195

Medienecho

24.06.2014
Ortsschriften Peter Handkes

Rezension von Halina Hackert, in: Zeitschrift für Germanistik 3 (2014), 683–684

06.11.2013
Orte schreiben zwischen Krieg und Globalisierung

Rezension von Alexander Schwieren, in: KulturPoetik 2 (2013), 293ff