Philologie als Kulturwissenschaft

Eine Arbeitsgruppe zum Thema »Philologie als Kulturwissenschaft«, an der Wissenschaftler aus den verschiedensten Forschungsprojekten mitarbeiteten, hatte es sich zur Aufgabe gemacht, die derzeit vorherrschende unproduktive Dichotomie zwischen ›kulturwissenschaftlicher Öffnung der Literaturwissenschaft‹ einerseits, ihrer ›Re-Philologisierung‹ andererseits aufzubrechen. Vielmehr sind Philologie und Kulturwissenschaft in doppelter Weise miteinander verschränkt: Zum einen sind philologische Verfahren in kulturwissenschaftlicher Arbeit unverzichtbar, zum anderen besitzen sie je schon kulturwissenschaftliche Implikationen. Um diese Verschränkung herauszuarbeiten, entstand eine kommentierte Anthologie mit paradigmatischen Texten aus der Geschichte philologischer Verfahren. Die Auswahl dieser Texte beschränkt sich nicht auf die Philologie im Sinne einer seit dem späten 18. Jahrhundert zunehmend etablierten Disziplin, sondern soll transparent machen, wie philologische, also text- und sprachwissenschaftliche Verfahren seit der Antike in den verschiedensten Wissensfeldern und kulturellen Praktiken wirksam sind: in der Sphäre des Rechts ebenso wie in derjenigen der Religion, in der Psychoanalyse und in metaphysikkritischer Philosophie, in der Definition des ›Eigenen‹ durch dessen Abgrenzung vom ›Fremden‹, in der Analyse von Bildender Kunst oder von Filmen.

2011