Mythologies – Mythen des Alltags
Roland Barthes’ Klassiker der Kulturwissenschaften
[Mythologies. Roland Barthes' Classic of the Cultural Studies]
Der Band »Mythologies« des Kulturkritikers, Semiologen und Literaturtheoretikers Roland Barthes (1915–1980) ist ein Klassiker der Kulturwissenschaften. Die virtuos geschriebenen Essays der »Mythen des Alltags« widmen sich medial vermittelten Phänomenen der Kulturindustrie, die vielfältiger nicht sein könnten: dem Zauber im »Gesicht der Garbo« und der Ikonographie des Abbé Pierre ebenso wie der »Afrikanischen Grammatik« zur Rechtfertigung des Algerienkriegs. Sie befassen sich mit der Darstellung sogenannter Volkscharaktere in Reiseführern oder gehen der religiösen Aufladung der Nahrungsmittel »Beefsteak und Pommes Frites« nach. Sie betrachten das moderne Spektakel des Catchens als Abkömmling des antiken Dramas und erkennen in der »Tour de France« ein Nachleben des homerischen Epos. Sie beleuchten das Verschwinden des Körperlichen beim »Striptease« und die Apotheose des legendären Citroën DS. Sie beschreiben die Inszenierung von Lässigkeit in Gangsterfilmen, aber auch die Erzeugung von Historizität in Hollywoodfilmen über das alte Rom.
Im vorliegenden Band nehmen Kultur-, Medien-, Literatur- und Sprachwissenschaftler/innen die deutschsprachige Neuausgabe der »Mythologies« von 2010 zum Ausgangspunkt für eine erneute Lektüre. Sie diskutieren, inwiefern Roland Barthes’ »Mythen des Alltags« für die gegenwärtige kulturwissenschaftliche Analyse relevant sind bzw. in welcher Weise ihr zeichentheoretisch-ideologiekritisches Gerüst der »Mythologien« noch heute anschlussfähig ist. Gefragt wird dabei, ob Barthes’ Projekt, das den unsichtbar gemachten historischen Index seiner Gegenstände so stark macht, selbst als vornehmlich zeitgebunden anzusehen ist; ob also das Werk Barthes’, wie es Joseph Hanimann einmal formuliert hat, »komfortabel gealtert« ist und wir ihn heute vornehmlich als ein ›Dokument‹ der Geschichte der Kulturwissenschaften lesen können; oder aber ob die besondere Verschränkung von Theorie und Gegenstand und die essayistisch-literarische Schreibweise der Mikroanalysen auch einen weiterhin produktiven kulturwissenschaftlichen ›Ansatz‹ darstellen.