Beiträge zur kulturwissenschaftlichen Zeitschriftenforschung (II)
Fortsetzung des Themenschwerpunkts in: Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur

Bd. 45, Heft 2 (2020)
De Gruyter, Berlin 2020
ISSN 1865-9128 (Online); 0340-4528 (Print)
betreut von Barbara Picht, Moritz Neuffer und Anke Jaspers

So allgegenwärtig Zeitschriften in der Geschichte der Ideen, der Künste und der Wissenschaften sind, so erklärungs- und theoriebedürftig sind ihre Funktionen, Darstellungsweisen und Adressierungsleistungen. Gerade im Zeitalter der digitalen Lektüre, in dem sich Verhältnisse zwischen Medien, Leserschaften und Öffentlichkeiten massiv verändern, lohnt es sich, die kulturhistorische Rolle des Publizierens in Zeitschriften zu reflektieren. Das Internationale Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur (IASL) veröffentlicht im zweiten Teil des Themenschwerpunkts weitere Beiträge aus dem Arbeitskreis Kulturwissenschaftliche Zeitschriftenforschung, der 2017 am ZfL mitgegründet wurde. Fallbeispiele aus unterschiedlichen historischen Kontexten werden darin mit Blick auf geteilte methodische Problemstellungen einer kulturwissenschaftlich orientierten Zeitschriftenforschung diskutiert.

 

  • Anke Jaspers, Moritz Neuffer und Barbara Picht: Editorial | 413–416

  • Moritz Neuffer: Modell Zeitschrift | 417–438
    In Zeitschriften fallen Rezeption und Produktion von Wissen zusammen. Am Beispiel des französischen Strukturalismus und seiner Rezeption in der Bundesrepublik Deutschland um 1966 zeigt der Beitrag, dass Zeitschriften theoretische Modelle und Bewegungen nicht einfach abbildeten oder diskutierten, sondern aktiv gestalteten. Dabei spielten journalistische Formate wie Leitartikel und Interview, aber auch die für Zeitschriften typischen Textcollagen eine wichtige Rolle. Die spezifische Materialität, Öffentlichkeit und Periodizität der Zeitschriften trugen so entscheidend zu theoretischen Entwicklungen und intellektuellen Umwälzungen bei.

  • Michaela Nowotnick: Der literarische Anschluss Siebenbürgens – Heinrich Zillich und Das Innere Reich (1934–1944): Eine Fallstudie | 439–455
    In der Zeitschrift Das Innere Reich, die von 1934 bis 1944 im Verlag Langen-Müller in München erschien, findet sich eine erstaunliche Dichte an Artikeln mit Bezug zu Siebenbürgen. Über die südöstliche Grenzregion der ehemaligen Habsburgermonarchie wurden diverse essayistische Beiträge und Texte von Autoren aus der Region veröffentlicht, wobei insbesondere Heinrich Zillich eine zentrale Rolle spielte. Die Einbindung Siebenbürgens folgte zwei Grundsätzen: Einerseits wurde eine Gruppe von Menschen, die seit Jahrhunderten außerhalb des innerdeutschen Sprachraums lebte, als integraler Bestandteil der ›deutschen Volksgruppe‹ etabliert. Andererseits wurde Siebenbürgen, das seit jeher von verschiedenen ethnischen Gruppen bewohnt wurde, als Modell einer klar hierarchischen Region im Sinne der nationalen Ideologie dargestellt.

  • Stefan Reiners: Kritik der historischen Vernunft in Zeitschriftenform | 456–470
    Der Beitrag befasst sich mit Moritz Lazarus′ und Heymann Steinthals Zeitschrift für Völkerpsychologie und Sprachwissenschaft und ihrem mediengeschichtlichen Kontext. Bedingt durch die mediale Form der Zeitschrift war es den Begründern möglich, ihre Theorie und Methodik in die Praxis umzusetzen, indem sie ein Forum für interdisziplinäre Zusammenarbeit und die Vereinigung der Geisteswissenschaften als Psychologie schufen. So erreichten sie ihr Ziel einer ›Kritik der historischen Vernunft‹ im Sinne eines Herausstellens der historischen Verfasstheit von Vernunft, Ethik und Kultur im Allgemeinen.

  • Petra Sertic: Who Was Mrs. Benway? | 471–488
    Die Künstlerin Jutta Koether schrieb von 1985 bis 1991 eine Kolumne mit dem Titel Mrs. Benway für das Popkultur-Magazin Spex, für die sie eine Form der Kunstkritik entwickelte, die eine vordergründig musikinteressierte Leserschaft ansprechen sollte. Im Anschluss an zeitgenössische Bewertungen von Kritikmodellen hinsichtlich ihrer Fähigkeit, Veränderungen zu initiieren, entwickelte Koether eine Form der Kritik als Praxis zur aktiven Mitbestimmung der eigenen Lebensbedingungen. Spex bot nicht nur eine Plattform für Bewertung und Urteil, sondern fungierte auch als Ausgangspunkt, um im Gleichschritt mit dem monatlichen Erscheinungsrhythmus des Magazins und dem dynamischen Kunstkalender Kölns auf aktuelle Ereignisse zu reagieren und Stellung zu beziehen.

 

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