Christoph Schmälzle

Laokoon in der Frühen Neuzeit

Textband (512 S.) und Bildband (304 S.)
Wallstein, Göttingen 2018
ISBN 978-3-86600-254-8

Wie kaum ein anderes Kunstwerk regt die antike Laokoon-Gruppe zu divergierenden Deutungen an. Das von Plinius d. Ä. hochgeschätzte Meisterwerk zeigt den Todeskampf eines Priesters und seiner Söhne, die am Altar von gottgesandten Schlangen überwältigt werden. Für Winckelmann und Lessing verkörpert die 1506 in Rom wiederentdeckte Gruppe ein durch Beherrschung und Schönheit gemildertes Leiden. An den Akademien der Frühen Neuzeit dagegen ist sie das Muster des Affektausdrucks, so dass dem sterbenden Priester auch jene Schmerzensschreie zugeschrieben werden, die Vergil in der Aeneis erwähnt.
Die ›barocke‹ Sichtweise bleibt über einen Zeitraum von 250 Jahren stabil, bevor sie durch das neoklassizistische Ideal der Affektdämpfung abgelöst wird. Erstmals stellt nun eine Monographie diese weitgehend vergessenen Schichten der Überlieferung im Zusammenhang dar. An die Seite des semiotischen Kunstvergleichs, der die Debatte erst ab dem 18. Jahrhundert prägt, tritt eine Fülle weiterer Gesichtspunkte und Fragen.
Das Buch behandelt die künstlerischen Reflexe des Laokoon-Mythos vor der Wiederentdeckung der Gruppe ebenso wie die Herausbildung einer vom antiken Vorbild unabhängigen Laokoon-Ikonographie im 16. und 17. Jahrhundert. Im Mittelpunkt steht die hohe Bedeutung, die das Laokoon-Exemplum sowohl in der Kunst und Kunsttheorie der Gegenreformation als auch im Curriculum der frühneuzeitlichen Akademien von Rom und Paris eingenommen hat.
Besonders hervorzuheben ist die Aufarbeitung breiter, bisher unberücksichtigter Materialbestände sowie die Publikation entlegener Bildquellen. Quellenzitate aus dem Lateinischen, Italienischen, Französischen und Englischen wurden durch den Verfasser vollständig ins Deutsche übertragen.

***

»Dass gleichsam unabhängig von den Wandlungen des Objekts sich auch der Blick auf dasselbe im Lauf der Zeit verändert hat, erklärt, warum es nicht einen Laokoon gibt, sondern eine Vielzahl von Laokoon-Figuren, die mittels einer ›Archäologie historischer Wahrnehmungsweisen‹ (S. 25) freigelegt werden müssen.«
Elisabeth Décultot, Arbitrium 38.1 (2020)
 
»Christoph Schmälzle trumpft nicht auf, er hat es nicht nötig, sich unverständlich auszudrücken, gerade weil er methodisch auf sehr hohem Niveau agiert. Schmälzles Untersuchung ist eine Arbeit, die jenseits aller Trends und Turns gültig bleiben wird.«
Christian Hecht, Kunstchronik 72.11 (2019)
 
»Die in ihr gebotene geistes- und kulturhistorische Reise durch das Labyrinth der Aneignungs-, Verfremdungs- und Transformationsprozesse der berühmtesten aller antiken Skulpturen macht [Schmälzles Darstellung] zu einem bewundernswerten Referenzwerk.«
Michail Chatzidakis, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 28.09.2018

Medienecho

03.04.2020
Christoph Schmälzle, Laokoon in der Frühen Neuzeit

Rezension von Elisabeth Décultot, in: Arbitrium 38.1 (2020), 69–72

28.09.2018
Seufzt er denn unter dieser tödlichen Umschlingung?

Offene Pathosformel: Christoph Schmälzle führt durch die Rezeptionsgeschichte des vatikanischen Laokoon
Rezension von Michail Chatzidakis, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 226 vom 28.09.2018, 10