Selbstübersetzung als Wissenstransfer
Selbstübersetzungen sind faszinierende Erscheinungsformen mehr- und anderssprachigen Schreibens. Sie bewegen sich an der Grenze zwischen pragmatischem Nutzen und autorschaftlicher Strategie, sie eröffnen die Lizenz zum produktiven Weiterdenken, Umstellen und Fortsetzen des Ausgangstextes, und oft werfen sie die Frage auf, welche der so entstehenden Versionen das Original und welche die Übersetzung ist. Bisherige Untersuchungen zum Thema konzentrierten sich meist auf literarische, insbesondere poetische Selbstübersetzungen. Der vorliegende Band nimmt dagegen das Moment der Übertragung von Wissen in den Blick – und damit den spannungsvollen Zusammenhang von sprachlichem Transfer und Wissenstransfer. Die Beiträge widmen sich gelehrten und intellektuellen Selbstübersetzern aus fünf Jahrhunderten: Martin Luther, Jan Baptista van Helmont, August Wilhelm Schlegel, Wilhelm und Alexander von Humboldt, Alessandro Manzoni, Heinrich Heine, Leo Spitzer, Walter Benjamin, Kurt Goldstein, Eugen Rosenstock-Huessy, Cornelius Castoriadis, Humberto Maturana und Wolfgang Iser.
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkung
Stefan Willer, Andreas Keller | 7–13 - »Von Martino Luther selbs teütsch gemacht«. Zur Problematik der Selbstübersetzung im 16. Jahrhundert
Andreas Keller | 15–48 - Jan Baptista van Helmont and his Theory of Translation
Sietske Fransen | 50–70 - »Hottentottisch schreiben«. Sprachwahl und Selbstübersetzung bei August Wilhelm Schlegel
Héctor Canal | 71–93 - »In deutscher Richtung mit französischem Winde segeln«. Wilhelm und Alexander von Humboldt als Selbstübersetzer
Stefan Willer | 95–121 - Bessere Tragödien, besseres Italienisch? Alessandro Manzonis Lettre à M. Chauvet
Dagmar Stöferle | 123–146 - »Auch meine Gedanken sind exilirt, exilirt in eine fremde Sprache.« Heinrich Heines ›Werke in französischer Sprache‹ zwischen Selbstübersetzung, Fremdübersetzung und interlingualem rewriting
Dirk Weissmann | 147–169 - Auf der harten Schulbank der Sprache. Leo Spitzers Bemerkungen über das Erlernen des Türkischen
Pascale Roure | 171–190 - Prekäre Passage. Walter Benjamins Passagenexposés auf Deutsch und Französisch
Caroline Sauter | 191–210 - Organismus ohne Aufbau. Wie Kurt Goldstein im Exil zum Holisten wurde
Cornelius Borck | 211–232 - Von Breslau nach Dartmouth. Die Selbstübersetzung Eugen Rosenstock-Huessys
Knut Martin Stünkel | 233–255 - Kastoriadis übersetzt Castoriadis (in eine nicht existierende Sprache)
Maria Oikonomou | 257–277 - Autopoiesis als Modell interdiskursiver Selbstübersetzung. Wissenstransfer bei Maturana, Varela und Luhmann
Patricia A. Gwozdz | 279–301 - The Act of Reading in Translation. On Wolfgang Iser’s Self-Translatability
Ronja Bodola | 303–322
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Bücher im Gespräch Episode 4: Selbstübersetzung Im Podcast des ZfL spricht Stefan Willer mit Karine Winkelvoss über wissenschaftliche Selbstübersetzung. |