Podiumsdiskussion
03.07.2023 · 18.00 Uhr
Alexander Friedrich, Petra Gehring, Ute Volkmann: Am gläsernen Schreibtisch. Über Wissenschaftstracker, Profiler und Datenhändler
Ort: Online (Zoom) & Kulturwissenschaftliches Institut Essen (KWI), Gartensaal, Goethestraße 31, 45128 Essen
ZfL-Projekt(e): Das 20. Jahrhundert in Grundbegriffen
Podiumsdiskussion mit Alexander Friedrich (ZfL), Petra Gehring (TU Darmstadt) Ute Volkmann (Uni Bremen), Stefan Höhne (KWI Essen)
Wer wissenschaftlich arbeitet, kann auf den Gebrauch digitaler Werkzeuge kaum mehr verzichten – spätestens wenn es um das Publizieren von Forschungsergebnissen geht. Auch Verlage, Bibliotheken, Forschungsförderer und Hochschulleitungen machen sich verstärkt die Möglichkeiten der Digitalisierung zunutze – auch zu ganz neuen Zwecken. So haben sie etwa die Entwicklung bibliometrischer Verfahren vorangetrieben und Tracking-Systeme zur Überwachung wissenschaftlicher Arbeitsprozesse implementiert. Während Dienste wie Orcid eine maschinenlesbare Verwaltung von Wissenschaftler:innen-Identitäten erlauben, erstellen eigens dafür betriebene Suchalgorithmen (sog. »Scholar Crawler«) personenbezogene Datenprofile. Onlinebasierte Literaturverwaltungs- und Redaktionssysteme zielen indessen auf die Erfassung des gesamten wissenschaftlichen Arbeitsprozesses, von der Ideenfindung und Recherche bis zur Publikation und Diskussion von Forschungsfragen und -daten.
Diese umfassende Verdatung von Forschungsprozessen tritt dabei mit dem Versprechen einer Steigerung der Qualität und Sichtbarkeit wissenschaftlicher Arbeit sowie der frühzeitigen Erkennung innovativer Forschungstrends und Talente an. Kritiker:innen sehen hingegen in solchen Datenbanken das eigentliche Hauptprodukt der großen Wissenschaftsverlage – die schon längst aufgehört haben, einfach nur Publikationsorgane für Fachliteratur zu sein.
Was bedeutet der aktuelle Umbau der Wissenschaftsverlage in Informationsbroker und Datendienste für die künftige Gestaltung von Wissenschaft? Welche Folgen hat die Datensammlung und die Dauerbeobachtung eigener Forschungsarbeit für die Karrierewege von Wissenschaftler:innen und die Strategien ihrer Institutionen? Wie verhält sich das Paradigma der Öffentlichkeit von Wissenschaft zu den oft opaken Datensammlungen von Konzernen wie Elsevier oder Springer Nature? Wie lässt sich das Tracking in den generellen Transformationsprozessen von Wissenschaft und ihren Verlagen verorten? Was ist überhaupt problematisch an diesen Entwicklungen und welche Alternativen gäbe es?
Der Philosoph Alexander Friedrich ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Schwerpunktprojekt Das 20. Jahrhundert in Grundbegriffen. Lexikon zur historischen Semantik in Deutschland.
Petra Gehring lehrt und forscht am Institut für Philosophie an der Technischen Universität Darmstadt. Sie ist Wissenschaftliche Direktorin des Zentrums verantwortungsbewusste Digitalisierung (ZEVEDI) und Mitherausgeberin des Jahrbuch Technikphilosophie.
Ute Volkmann lehrt und forscht am SOCIUM Forschungszentrum Ungleichheit und Sozialpolitik der Universität Bremen u.a. zu soziologischen Gesellschaftstheorien und Zeitdiagnosen sowie zur Medien- und Wirtschaftssoziologie mit Fokus auf Journalismus und Wissenschaftsverlage.