Das kurze Leben der sowjetisch-jiddischen Literatur
Gemeinsamer Workshop des Leibniz-Instituts für Jüdische Geschichte und Kultur – Simon Dubnow Leipzig (DI) und des Leibniz-Zentrums für Literatur- und Kulturforschung (ZfL)
In der Nacht vom 12. Auf den 13. August werden in Moskau mit den Lyrikern Perets Markish (1895–1952), Dovid Hofshteyn (1889–1952), Itsik Fefer (1900–1952), Leyb Kvitko (1890–1952) und dem Romanautor Dovid Bergelson (1884–1952) einige der prominentesten Vertreter der modernen jiddischen Literatur erschossen. Diese Literatur, die in der Sowjetunion zunächst gefördert, seit Ende der 1920er Jahren auch zunehmend ambivalent bis kritisch betrachtet wurde, ist heute weitgehend vergessen: Wenige Jahre nachdem die Deutschen einen Großteil der potentiellen Leser dieser Literatur, die Träger der einst weitverbreiteten jiddischen Sprache vernichtet hatten, fielen dem Stalinismus nun auch ihre Autoren zum Opfer.
Die »Nacht der ermordeten Dichter« soll zum Anlass genommen werden, über die jiddischsprachige Literatur der Sowjetunion in ihrem literarischen und politischen Kontext zu reflektieren und insbesondere ihre kulturelle Funktion im Spannungsfeld zwischen einem höchst spezifischen jüdischen Nationalbewusstsein und der Orientierung an der Vorstellung vom neuen Sowjetmenschen zu untersuchen. Dass dabei eine Literatur mit allen Zügen und Funktionen einer transterritorialen ›Nationalliteratur‹ entworfen wird, dies aber zugleich im Rahmen des zunächst multi-, dann übernationalen Projektes der Sowjetunion geschieht, macht das Phänomen einzigartig. Dass dieses Projekt staatlicherseits massiv gefördert, zugleich aber auch als Gefahr wahrgenommen wurde, zeigt seinen prekären Status.
Der Workshop ist Teil der Reihe Jüdische Geschichte und Literaturforschung, die das ZfL zusammen mit dem Dubnow-Institut durchführt.
Teilnehmende:
Nicolas Berg, Jörg Deventer, Jan Gerber, Ivonne Meybohm, Yfaat Weiss (alle DI)
Matthias Schwarz, Daniel Weidner (beide ZfL)
Sabine Koller (Professur für Slavisch-Jüdische Studien, Universität Regensburg)