Workshop
02.12.2021

Epochenschwellen und Epochenzäsuren

Ort: ZfL, Schützenstr. 18, 10117 Berlin, Aufgang B, 3. Etage, Seminarraum
Organisiert von Nicolas Berg (Universität zu Köln/DI), Falko Schmieder (ZfL)

Gemeinsamer Workshop des Leibniz-Instituts für Jüdische Geschichte und Kultur – Simon Dubnow Leipzig (DI) und des Leibniz-Zentrums für Literatur- und Kulturforschung (ZfL)

Die Moderne erscheint im Rückblick als eine Ära, die selbst in verschiedene Epocheneinheiten zerfällt und permanent neue Epochenentwürfe generiert. Seit der Wende zum 18. Jahrhundert etabliert sich jene Erfahrung in einer Übergangs- oder Schwellenzeit zu etwas völlig Neuem zu stehen, eine Erfahrung, die seitdem immer wieder artikuliert wurde. Im Anschluss an den in Breslau geborenen deutsch-israelischen Historiker Richard Koebner (1885–1958) lässt sich die Geschichte moderner Selbstbeschreibungen geradezu als Sukzession von Zeitwendeerfahrungen rekonstruieren, die jeweils ein eigenes historisches Profil und Gepräge haben.

Auch unsere Gegenwart wird im Zeichen der Krise einmal mehr als Beginn eines neuen Zeitalters oder als eine Transformationszeit begriffen. Angesichts neuer Probleme und Herausforderungen verwundert dies kaum; was dabei jedoch ins Auge fällt ist, dass die Topoi solcher Beschreibungen selbst eine Geschichte haben, dass sie nie nur die Gegenwart allein beschreiben, sondern immer zugleich auch auf den Beginn der Moderne zurückverweisen. Solche stets aufs Neue artikulierten historischen Differenz- und Diskontinuitätserfahrungen und die daran geknüpften Periodisierungen werfen zahlreiche theoretische und methodische Fragen auf, denen sich der Workshop widmet.

Die sechs Vorträge des seit 2017 etablierten jährlichen Austausches zwischen dem Dubnow-Institut und dem ZfL fokussieren auf theoretische und methodische Fragen der eigenen Arbeiten und Projekte ebenso wie auf den Erfahrungsbegriff der Zeitgenossen, der besonders geeignet erscheint, Varianten, Synkopen und Differenzen zwischen der allgemeinen Geschichtsentwicklung und der jüdischen Zeitperspektive in eine fruchtbare Diskussion zu bringen. So weitet sich der Blick auf das generelle Verhältnis von epochemachenden Ereignissen und den jeweiligen Konzepten, mit denen Historikerinnen und Historiker diese als Beginn, Wendepunkt oder Abschluss einer historischen Zeit-Formation darzustellen versuchen.

Die Vorträge präsentieren Themen zwischen dem späten 18. und dem frühen 20. Jahrhundert. Sie fragen nach der inneren Einheit und spezifischen Signatur von Epochen; nach den sozialen oder rein ideellen Begründungsfiguren für Epochenentwürfe; nach synchronen und diachronen Konkurrenz-Verhältnissen verschiedener Terminologien; nach Überschreibungen von Epochenkonstruktionen aus der Perspektive der Nachträglichkeit; nicht zuletzt fragen sie nach den Metaphern verschiedener historischer Zeiten (von der Epochenschwelle über die Epochenwende bis hin zum Epochenbruch).

Es handelt sich um eine interne Veranstaltung. Organisiert von Nicolas Berg, berg@dubnow.de, und Falko Schmieder, schmieder@zfl-berlin.org.

 

Programm

10.30–10.45

  • Nicolas Berg (Universität zu Köln/DI) / Falko Schmieder (ZfL): Einführung und Moderation

Medien und Geschichtsschreibung

10.45–12.45

  • Moritz Neuffer (ZfL): »auf gleicher Höhe mit ihrer Zeit« – Epochenmedium Zeitschrift
  • Theresa Eisele (Universität Wien): »ein Blatt Papier gegen einen Orkan«. Zeitwenden der Wiener Moderne als historische Erfahrung und historiografische Kategorie

Zwischen den Zeiten

13.45–15.45

  • Detlev Schöttker (ZfL): Mobilmachung und Fortschrittsglaube. Walter Benjamin adaptiert Ernst Jünger
  • Philipp Graf (DI): »Die Politik hat sich geändert und ich stehe jetzt als jüdischer Nationalist da.« Leo Zuckermann und das Ende der »Zwischenzeit«

Epochenbegriffe und -signaturen

16.15–18.15

  • Barbara Picht (ZfL): Epochendenken im Warburg-Kreis
  • Tom Navon (DI): »On the crossroad between barbarism and progress«: Otto Heller’s ›Der Jude wird verbrannt‹