Mittwochsvortrag
09.06.2008 · 22.00 Uhr

Feminine Genius: Women's intellectual culture in the 20th century

Ort: Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Jägerstr. 22/23, 10117 Berlin, Einstein-Saal
Organisiert von Julia Kristeva
Kontakt: Ulrike Vedder

Programm

Zum Vortrag (in englischer Sprache)
Die Werke von Hannah Arendt, Melanie Klein und Colette stützen und erhellen meine Arbeit und meine Existenz – im Rhythmus der Zufälle und Notwendigkeiten eines intellektuellen Lebens – schon seit langem. Die Jahre des Schreibens an Le génie féminin, jener Trilogie, die ich ihnen gewidmet habe, gehören nun meiner Vergangenheit an. Während dieser Zeit war mein Umgang mit den drei Frauen so intensiv, dass es mir jetzt, da ich diese Arbeit beende, so vorkommt, als habe ich tatsächlich an ihrem Leben teilgehabt. Zwischen uns sind enge Verbindungen entstanden, sowohl durch schwesterliche Nähe – in der eine innige Zärtlichkeit mit jenen unbewussten Projektionen ringt, die eine erotische Anziehung verraten – als auch durch gereizte Distanzierungen und kritische Zurückweisungen. Freilich hat in erster Linie eine große Bewunderung für diese drei Frauen meine Lektüren bestimmt und meine Beschäftigung mit ihren verschlungenen Abenteuern befördert. Wenn die Leser den Eindruck bestätigen könnten, der in meinem Umfeld zuweilen geäußert wurde, dass nämlich die hier vorgeschlagene Interpretation ein Ausdruck großzügigen Denkens sei, dann wäre das das schönste Geschenk, das Arendt, Klein und Colette mir gemacht haben: etwas zu offenbaren, das die Härte des Lebens nicht immer zu zeigen erlaubt.

Die provozierende Übertreibung, die dem Begriff "Genie" eigen ist, war der rote Faden meiner Arbeit. Er half mir bei der Entzifferung der Überschreitungen, die diese drei Frauen in ihren jeweiligen Feldern unternommen haben (politische Philosophie, Psychoanalyse, Literatur) und die zu vergleichbaren Überschreitungen einladen mögen, wenn man ihren Kämpfen und Fortschritten folgt und dabei die eigenen schärft. Denn ich bin davon überzeugt, dass die Verwirklichung der Menschenrechte im Ideal des mittelalterlichen Philosophen Duns Scotus besteht, das unsere Epoche nunmehr verwirklichen kann: aufmerksam zu sein für die Diesheit (die haecceitas), sich um die Entfaltung unserer Einzigartigkeit zu bemühen, für das Eintreten des 'Jemand' ins Beliebige zu sorgen (des 'qui' ins 'quelconque'). Das "Genie" ist in einem bestimmten historischen Moment die komplexeste, verführerischste, fruchtbarste Version dieser Einzigartigkeit, und nur auf diese Weise schreibt es sich in die Zeit und ins Universelle ein.

Medienecho

20.06.2008
Klosterfrau Prämissengeist

Europamystik: Julia Kristevas Berliner Bekenntnisse. Artikel von Alexandra Kemmerer, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 20.6.2008