Ivana Perica: Der politische Roman. Erbe unserer Zeit
Vortrag an der Universität für Angewandte Kunst Wien im Arbeitskreis Kulturanalyse
Die anhaltende Popularität der ›Politik der Literatur‹ geht heute auf Kosten der begrifflichen Präzision dieses Schlagworts. Während es in verschiedenen Genres und Schauplätzen der politischen Literatur des 20. Jahrhunderts je nach Standpunkt des_ der Betrachters_in einigermaßen klar war, was ›politische Literatur‹ eigentlich bedeutete und umfasste, scheint die heutige Anpreisung einer Politik der Literatur die Transparenz des Begriffs zu verwischen. Dies hat mit dem neuen und sich wandelnden Verständnis dessen zu tun, was Politik ist und wie sie sich zur literarischen Produktion verhält.
Um eine gewisse Präzision in das Feld zu bringen, untersucht der Vortrag die Valenzen der politisch-theoretischen und ästhetischen Unterscheidung zwischen ›der Politik‹ und ›dem Politischen‹, um diese dann mit der Geschichte des politischen Romans zu verweben.
Denn der anhaltende ›Boom‹ der Politik der Literatur lädt geradezu ein, das Erbe des politischen Romans des 20. Jahrhunderts neu zu sichten, seine Theoretisierung wiederzubeleben, um die besagte Politik der Gegenwartsliteratur neu zu bewerten. Um letzterer gerecht zu werden, kann und soll dies nach zeitgenössischen Maßstäben geschehen, aber das Erbe des politischen Romans des 20. Jahrhunderts, das von der zeitgenössischen Literatur nur teilweise anerkannt wird, darf nicht weiter ausgeklammert werden.
Die Literaturwissenschaftlerin Ivana Perica ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt Kartographie des politischen Romans in Europa.