Tagung
22.04.2010 – 24.04.2010 · 02.00 Uhr

KörperGegenwart. Neue Sammlungsstrategien für neue Technologien

Ort: Deutsches Hygiene-Museum Dresden, Lingnerplatz 1, 01069 Dresden
Organisiert von Uta Kornmeier, Katrin Solhdju, Sandra Mühlenberend, Susanne Roeßiger
Kontakt: Uta Kornmeier, Katrin Solhdju, Sandra Mühlenberend, Susanne Roeßiger

Internationale Tagung des Deutschen Hygiene-Museums Dresden in Kooperation mit dem Zentrum für Literatur- und Kulturforschung Berlin

Das Wissen über den menschlichen Körper ließ sich noch bis ins 20. Jahrhundert hinein anhand von Präparaten, anatomischen Figuren, Zeichnungen oder Fotografien darstellen und entsprechend in Spezialmuseen sammeln und ausstellen. In jüngster Zeit scheint sich die Materialität und Sichtbarkeit dieses Wissens jedoch immer mehr zu verflüchtigen. Denn indem die Wissenschaften, ausgerüstet mit neuen Technologien, in ehemals unbekannte oder nicht zugängliche Bereiche vordringen, verlieren sie zugleich ein unmittelbar sinnlich zugängliches Verhältnis zum Körper. Die Begriffe, Modelle und Befunde, die in den modernen Lebenswissenschaften benutzt werden, entziehen sich mehr und mehr einer abbildenden Darstellung. Das stellt Museen vor die Herausforderung, neue Sammlungsstrategien zu entwickeln, für die derzeit noch keine ausgereiften Konzepte vorliegen. Hier liegt der Ausgangspunkt dieser Tagung, die nach der genauen Verfasstheit des Körperwissens in der gegenwärtigen Wissenschaft fragt und gleichzeitig darüber reflektiert, wie die Museen praktisch mit dieser neuen Situation umgehen können.

Die Tagung geht zum einen der Geschichte der Techniken, Instrumente und Theorien nach, mit denen der menschliche Körper wissenschaftlich durchdrungen, zerlegt, präpariert, gedeutet und dargestellt wurde. Zum anderen untersucht sie, ob sich das gegenwärtige biomedizinische Wissen über den Körper tatsächlich ins Immaterielle verflüchtigt und wenn ja, auf welche Weise dies geschieht.

Vergleichend sollen historische und aktuelle Körperpraktiken und -diskurse befragt werden, wie sie von Wissenschaftlern in Labor und Klinik oder von Künstlern in den Ateliers geführt wurden und werden. Heute sind es vor allem die angewandten Wissenschaften wie Robotik, Prothetik und plastische Chirurgie, aber auch Bionik und Design, in denen neue Körper entworfen und geformt werden. Gerade diese Disziplinen stellen zentrale Schauplätze für aktuelle Körperdiskurse dar. Und darüber hinaus produzieren sie ganz konkrete Objekte, die für die Museen von Interesse sind.

In diesem Zusammenhang stellt die Tagung elementare museumsrelevante Fragen: Wie können Sammlungspraxis und -theorie mit den Produkten neuer Technologien umgehen? Welche Objekte kommen hierfür in Frage? Wie können sie gespeichert, dokumentiert und präsentiert werden? An welchem Körperbild können sich museale Sammlungen angesichts der aktuellen wissenschaftlichen und technologischen Praktiken und Diskurse orientieren?

Programm

Donnerstag, 22. April 2010

19:00 Uhr
Begrüßung und Einführung
Klaus Vogel (DHMD), Thomas Macho (HU Berlin/ZfL)

anschließend
Podiumsdiskussion: Schauplätze der Schönheit. Klinik, Kunst, Medien und Museen
mit:
Marita Eisenmann-Klein (International Confederation for Plastic, Reconstructive and Aesthetic Surgery), Gisela Staupe (DHMD), Winfried Menninghaus (FU Berlin), Astrid Deuber-Mankowsky (Ruhr-Uni Bochum)

Moderation: Thomas Macho

Freitag, 23. April 2010

9:00 Uhr
Körpermaßstäbe im Wandel
Moderation: Uta Kornmeier

Körperspuren im Deutschen Hygiene-Museum. Strategien und Objekte
Susanne Roeßiger

Auf Biegen und Brechen. Zur (In)Formierung des Körpers
Stefan Rieger (Ruhr-Uni Bochum)

Der Körper und seine Teile. Vom Präparat zum transplantierten Organ
Katrin Solhdju

Vom Körper zum Maß. Zur Geschichte der Konfektionsgrößen
Daniela Döring (Braunschweiger Zentrum für Gender Studies)

Vermessene Menschen. Vom Fingerabdruck bis zum Ganzkörperscan
Erika Feyerabend (BioSkop-Forum zur Beobachtung der Biowissenschaften e.V.)

14:15 Uhr
Aktuelle Technologien und Produkte für den Körper
Moderation Katrin Solhdju

Prothesen exponieren. Sichtbarkeiten neuer Technologien
Karin Harrasser (Kunsthochschule für Medien Köln)

Design in der Orthetik. Innovative Prinzipien der Körperanformung
Andreas Mühlenberend (resolutdesign; Hochschule Magdeburg-Stendal)

Wie sieht der bionische Mensch aus?
Friedrich Ditsch (TU Dresden)

"It's a Material World". Situiertheit, Verkörperung und Materialität in der neueren Robotik
Jutta Weber (TU Braunschweig)

Von der Nasen- zur Gesichtstransplantation. Zur Geschichte und Zukunft der kosmetischen Chirurgie
Sander L. Gilman (Emory University Atlanta)

19 Uhr
Führung
Sonderausstellung "Was ist schön?" oder Dauerausstellung "Abenteuer Mensch"

Sonnabend, 24. April 2010


9:00 Uhr
Der Mensch im Museum: Perspektiven des Sammelns
Moderation Sandra Mühlenberend

Science Fashion. TechnoNaturen und deren alltagskulturellen Umdeutungen im System der Mode
Elke Gaugele (Akademie der Bildenden Künste Wien)

Wie kommt die Seele ins Museum? Medizinische Museen und das Transzendentale
Robert Bud (Science Museum London)

Den biomedizinischen Apparat ausstellen. Materialität und Digitalität in "Split + Splice" (Kopenhagen)
Susanne Bauer (HU Berlin)

Die Schärfung des Blicks. Kunstinterventionen in anatomischen Sammlungen
Ingeborg Reichle (Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften)

Körperwissen in der Kunst
Ute Meta Bauer (MIT Boston)

13:15
Abschluss der Tagung

Medienecho

28.04.2010
Diskursmacht des Ganzkörperrasierers

Soll man einen Kernspintomographen ausstellen? Eine Tagung am Dresdner Hygiene-Museum fragte nach neuen Strategien des medizinhistorischen Sammelns. Artikel von Katharina Teutsch, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 28.4.2010