Märtyrer-Figuren Methodische Zugänge und historische Konstellationen
Programm
Veranstaltung der Reihe zum Jahresthema des ZfL: Märtyrer. Schlüssel zum Verhältnis der Religionen und Kulturen
Figurationen des Märtyrers, die gegenwärtig eine Wiederkehr erleben,
verbinden im Zeichen heiliger Gewalt Judentum, Christentum und Islam,
deren Wahrheit gerade durch den gewaltsamen Tod des (Blut-)Zeugen
öffentlich bestätigt werden soll. Märtyrer/innen wirken aber nicht nur
innerhalb der Religion, sondern sie erweisen sich auch als Figuren einer
kulturellen Praktik, die auf Transformationen und Umkehrungen zielt.
Sie vermögen Kippbewegungen auszulösen und Verschiebungen zwischen Macht
und Ohnmacht herzustellen, eindeutige Zuordnungen von Geschlecht und
Generation zu zerschlagen, um sie neu und dauerhafter zu knüpfen. Sie
verkörpern Affekte und stellen sie in Pathosformeln dar, in denen
Ekstase sich ununterscheidbar zwischen mystischer Ergriffenheit und kaum
noch erträglichem Schmerz bewegt. Deshalb ist die Figur des Märtyrers
auch befähigt, in Übergangszeiten die Bühne des Politischen zu betreten.
Ihre Urszenen in der Konstruktion von Ursprüngen und Begründungen, ihr
Nachleben in Form von Überlieferungen und Umdeutungen, ihre Schauplätze
und Einschreibungen in die Register von Religion und Politik, Literatur
und Kunst zu entziffern, ist Ziel dieser kulturwissenschaftlichen
Arbeitstagung.
Donnerstag 1.3.
15 h Begrüßung
1. Opfer und Schrift: Ursprünge und Begründungen des ‚Märtyrers‘
Moderation: Martin Treml
15.30 – 17.00 | Angelika Neuwirth: Der Koran als ,Quelle‘ für Märtyrerkonzepte |
Michael Heß: Hiob und die Ursprünge des Märtyrertums | |
17.30 – 19.00 | Michael Bongardt: Das Lebensopfer als Streitpunkt christlicher Tradition und Theologie |
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Hartmut Ludwig: Wandlungen des christlichen Märtyrerbegriffs im 20. Jh. |
19.00 – 19.45 | Sigrid Weigel: Methodische Zugänge zur Märtyrer-Figur – Zum Verhältnis von Religionsgeschichte, Anthropologie und politischer Theologie |
Freitag 2.3.
2. Schauplätze der Märtyrer
Moderation: Angelika Neuwirth
9.30 - 11.00 | Silvia Horsch: Das Schlachtfeld als Ort des Martyriums |
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Avinoam Shalem: Das 'Heilig-Blut' Osman ibn Affan in der Großen Moschee in Cordoba |
11.30 – 13.00 | Gottfried Reeg: Qiddush ha-Shem als Verherrlichung Gottes in der Öffentlichkeit |
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Doreet LeVitte Harten: Opferkonzeptionen in der israelischen Kunst |
3. (Um-) Deutungen der Überlieferung
Moderation: Sabine Berthold
15.00 – 16.30 | Martin Treml: Märtyrerfigurationen der (Spät-)Antike |
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Katharina Waldner: Kulturgeschichte des frühchristlichen Märtyrertums |
17.00 – 18.30 | Thomas Frank: Mittelalterliches Martyrium zwischen Christen und Juden: Das Beispiel des Werner von Bacharach |
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Daniel Weidner: Gespielte Zeugen. Schauspieler-Märtyrer im Barocktheater |
Samstag 3.3.
4. Märtyrer und Souverän im Barock
Moderation: Sigrid Weigel
10.15- 11.00 | Karin Gludovatz: Das Blut der Heiligen. Caravaggios Transformation des Martyriums in Farbe |
11.30 – 13.00 | Peter-André Alt: Die Königin als Märtyrerin. Theatralität und Frauenopfer im barocken Trauerspiel |
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Sabine Berthold: Schauplätze des Ostens: Orientalismen im barocken Trauerspiel |
5. Die Wiederkehr des Märtyrers in der Moderne
Moderation: Michael Heß
15.00 – 16.30 | Helen Przibilla: Das Motiv des Selbstopfers im Zionismus |
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Kai Bremer: Märtyrer des Sozialismus? Zu Brechts Die Maßnahme und Müllers Mauser |
17.00 – 18.30 | Sasha Dehghani: Tahirih - Eine Märtyrerin der Emanzipation |
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Thomas Scheffler: Der Knabe, der König und die Menschen im Feuergraben: Wege und Wandlungen einer islamischen Märtyrergeschichte |