Quo Vadis Georgien? Kulturell in Europa, politisch nach Russland?
Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion galt Georgien lange als Vorreiter demokratischer Reformen im postsowjetischen Raum. Die Rosenrevolution von 2003 brachte eine prowestliche Demokratisierung, die Russland massiv bekämpfte. Die euroatlantische Integration ist in der georgischen Verfassung verankert und über 80 % der Bevölkerung unterstützen die Westorientierung. Doch während die Ukraine und Moldau Beitrittsverhandlungen mit der EU führen, wendet sich Georgien unter der antidemokratischen Partei "Georgischer Traum" zunehmend ab. Die manipulierten Wahlen im Oktober 2024 werden international scharf kritisiert, und die Regierung reagiert auf Proteste mit Repressionen, die an Belarus und Russland erinnern. Georgien kämpft heute um sein Überleben als Rechtsstaat und unabhängiges Land.
Podiumsdiskussion auf der Leipziger Buchmesse
Eine Podiumsdiskussion mit führenden georgischen Kulturschaffenden und Intellektuellen wird den historischen Hintergrund der heutigen dramatischen Ereignisse beleuchten. Warum strebt die georgische Zivilgesellschaft so stark nach einer EU-Integration? Und welche Rolle spielt die Kultur dabei?
Auch Georgien war Teil der osteuropäischen Freiheitsbewegungen der 1980er Jahre, die in Deutschland, Polen, Tschechien und den baltischen Staaten zu tiefgreifenden Veränderungen führten. Während diese Länder in der EU ihre politische Heimat fanden, dauert aber der Kampf für Demokratie in Georgien, der Ukraine und Moldau an. Die EU-Mitgliedschaft wird daher als Abschluss eines gemeinsamen historischen Prozesses gesehen.
Der Kulturbetrieb spielte immer eine zentrale Rolle im politischen und zivilgesellschaftlichen Kampf um Demokratie und auch heute stehen Kulturschaffende an vorderster Front. Der Angriff auf demokratische Institutionen begann mit Repressionen gegen Kultur und Medien. Der Kampf in Georgien ist daher auch ein Kampf um Werte: die Freiheit der Kunst und Kultur gegen oligarchischen Autoritarismus.
Podium:
- Lasha Bakradze, Autor und Oppositionspolitiker, Historiker und Literaturwissenschaftler, Professor an der Ilia-Universität Tbilissi
- Anna Margelashvili, Historikerin, Kulturmanagerin, Leiterin des Vereins Community Development Centre und Mitbegründerin des Soviet Past Research Laboratory (SOVLAB)
- Moderation: Zaal Andronikashvili, Publizist und wissenschaftlicher Mitarbeiter am ZfL
Der Literaturwissenschaftler Zaal Andronikashvili ist wissenschaftlicher Mitarbeiter mit dem Projekt Literatur in Georgien. Zwischen kleiner Literatur und Weltliteratur.