Begleitprogramm zum Heft 28 der Trajekte
30.04.2014 · 18.00 Uhr

Spaziergang mit Christina Pareigis: Zu Boden geblickt. Spuren der Erinnerung auf der Jerusalemer Straße

Ort: Treffpunkt: ZfL, Schützenstr. 18, 10117 Berlin, Eingangshalle Erdgeschoss

Programm

Was bekommt man heute auf der Jerusalemer Straße zu sehen? Ein Spaziergang mit verändertem Blickwinkel kann Antworten geben.
Auf den ersten Blick hinterlässt diese Straße in Berlins Mitte kaum Spuren bei Spaziergängern und Passanten, ganz gleich aus welcher Richtung sie kommen: Die Bebauung scheint unspektakulär, oft hat man den Eindruck, ihr Verlauf ende schon nach wenigen Metern vor bebautem oder unpassierbarem Gelände in einer Sackgasse.
Dabei ist die historische Bedeutung dieser Straße vielschichtig: Bis zum Zweiten Weltkrieg verband sie eines der wichtigsten europäischen Zentren für Mode und Konfektionsindustrie, gelegen am Hausvogteiplatz am nördlichen Ende der Jerusalemer Straße, mit dem Standort der Jerusalemkirche, einem der bedeutendsten und größten Sakralbauten Berlins, am südlichen Ende, dem heutigen Axel-Springer-Platz. Und zwischen 1961 und 1989 gehörte ein Teil der Straße zum Sperrgebiet der Berliner Mauer und damit zum Niemandsland.
Heute ist von alledem nur noch wenig zu erkennen. Dafür erinnern dort, wo mittlerweile Auslöschung und Zerstörung stattgefunden haben, ganz unterschiedliche Erinnerungszeichen an die früheren Orte und Geschehnisse. Gemeinsam ist ihnen, dass sie auf Asphalt und Gehwegplatten der Jerusalemer Straße zu finden sind: Die Markierung der innerstädtischen Grenzanlagen durch eine Pflastersteinreihe an der Grenze zur Zimmerstraße, die Umrisse der Jerusalemkirche aus roten Steinen und die Installation Denkzeichen Modezentrum, die im Aufgang des U-Bahnhofs Hausvogteiplatz an die Vertreibung und Deportation der jüdischen Textilunternehmer erinnert.
Der Spaziergang lädt ein, mit dem Blick zum Boden entlang dieser Erinnerungszeichen die Jerusalemer Straße neu zu entdecken. Dabei werden wir auch ihrem ungewöhnlichen Verlauf auf den Grund gehen. 

Der Spaziergang endet auf dem Hausvogteiplatz. Dort besteht im Restaurant  »Das Meisterstück« die Möglichkeit, die Ausstellung  Jerusalemer Straße, Berlin Mitte. Fotografien von Amélie Losier zu besuchen.

 

Begleitprogramm zum Heft 28 der Trajekte, »Jerusalemer Straße, Berlin Mitte«
Programmflyer.pdf

»Dieses Heft der Trajekte steht in einem engen Verhältnis zum Ort des Zentrums für Literatur- und Kulturforschung – seiner ganz konkreten, räumlichen Unterbringung im Mosse-Zentrum in Berlin-Mitte. Gleich ums Eck unseres Hauseingangs in der Schützenstraße 18 trifft man auf die Jerusalemer Straße. Diese Straße mit ihrem so assoziationsreichen Namen ist hier auf irritierende Weise einfach zu Ende. In keiner Richtung findet sie eine erkennbare Fortsetzung, jedenfalls nicht auf den ersten Blick. Damit wird sie zu einer Angelegenheit für den zweiten Blick, genauer gesagt für ein ganzes Spektrum nachfolgender Blicke.
Als kulturwissenschaftliches Forschungsinstitut haben wir uns des Rätsels Jerusalemer Straße angenommen. Pro domo – vor dem Haus, mit dem Rücken zur eigenen Haustür – haben sich unsere Autorinnen und Autoren auf die Suche gemacht und sind dabei auf vielfache Weise fündig geworden. Architektur und Stadtplanung, Verlags- und Zeitungswesen, Musik, Mode und Ökonomie: Sie alle tragen zur Kulturgeschichte dieser Straße bei, deren mehrfach veränderter Verlauf ein topographisches Abbild der historischen Brüche vor allem des 20. Jahrhunderts zu sein scheint. Es lohnt sich also, die Jerusalemer Straße abzuschreiten...« (Auszug aus dem Editorial von Stefan Willer zum Trajekte-Heft Nr. 28/2014)

Trajekte 28
Jerusalemer Straße, Berlin Mitte

Berlin, 2014
65 Seiten
ISBN: 1616-3036

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