Mittwochsvortrag
05.10.2016 · 19.00 Uhr

Sylvia Sasse (Zürich): Aktenlesen. Postkommunistische (künstlerische) Archivologien

Ort: ZfL, Schützenstr. 18, 10117 Berlin, 3. Et., Trajekte-Tagungsraum
Wohl keine autobiographische Lektüre war jemals so risiko- und folgenreich wie das Lesen der eigenen Geheimdienstakten in den ehemaligen Ländern des Ostblocks. Sie führte für viele zur Erfahrung, sich selbst als bereits geschrieben und archiviert zu erfahren und zur Erkenntnis, dass das eigene Leben „gemacht“ wurde, dass es vom Geheimdienst massiv gesteuert wurde. Klaus Schlesinger schreibt zum Beispiel, er habe sich wie jemand gefühlt, der einen Roman lese, dessen Hauptfigur er sei. 
Der Vortrag setzt sich zum einen mit künstlerischen Arbeiten auseinander, die nach der Lektüre der eigenen Geheimdienstakten entstanden, u.a. mit Péter Esterházy Roman „Verbesserte Ausgabe“, mit Cornelia Schleimes „Stasiserie“ und mit Gabriele Stötzers „Stasi-Dada“. Zum anderen geht der Vortrag der Frage nach, was diese künstlerischen Arbeiten selbst zur Erforschung und Theorie von Geheimdienstarchiven beitragen.

 

Mit diesem Mittwochsvortrag wird die Tagung Körper, Gedächtnis, Literatur in (post-)totalitären Kulturen eröffnet, eine Tagung in Kooperation mit dem Institut für Slawistik der Humboldt-Universität zu Berlin und der Friedrich-Schlegel-Graduiertenschule für literaturwissenschaftliche Studien der Freien Universität Berlin.