Vom Nachleben der Religion(en)
Programm
Das offensichtliche Interesse für Religion im öffentlichen ebenso wie im kulturwissenschaftlichen Diskurs, gelegentlich als religious turn bezeichnet, wird im ZfL in Gestalt von Untersuchungen zum Nachleben der Religionen verfolgt. Diese Forschungen bauen auf langjährigen Überlegungen zur Dialektik der Säkularisierung auf. Historisch zielen die gegenwärtigen Projekte auf eine Genealogie wichtiger Repräsentationsformen im Horizont der Religionsgeschichte: etwa die kultischen Ursprünge von Praktiken wie dem Theater; die Bedeutung der verschiedenen heiligen Schriften und ihrer konkurrierenden Hermeneutiken für die Schrift/Textkultur Europas; oder die Wiederaneignung und Umformung vormoderner Figuren in aktuellen Aktionsfeldern, die sich religiöser Begründungen und Deutungen bedienen. Dabei ist die Religionsgeschichte nicht nur Voraussetzung der Literatur- und Kulturgeschichte, sondern deren integraler Bestandteil, der von ihren zentralen Urszenen bis in die Moderne immer wieder aufgerufen wird.
Systematisch setzt die Frage nach dem Nachleben die Auseinandersetzung mit der Säkularisierung fort, mit dem – vielleicht letzten – großen Narrativ, welches das Selbstverständnis Europas nachhaltig bestimmt. Anstelle eines eindimensionalen Begriffs von Säkularisierung (als Entzauberung, Zurückdrängung der Theologie oder ›Trennung von Kirche und Staat‹), aber auch gegen eine gegenwärtig zu beobachtende Re-Theologisierung der Theorie betont das Konzept des ›Nachlebens‹ (im Sinne Warburgs und Benjamins) die Ambivalenz der Fortdauer religiöser Bedeutungen, die oft in anderen Registern (wie Recht, Politik oder Kunst) wiederkehren oder nur in zweideutiger Weise, sakral und profan zugleich, lesbar sind. Mit der Pathosformel hält Aby Warburgs Kulturwissenschaft eine methodische Perspektive bereit, die es ermöglicht, die affektgeschichtlichen Grundlagen und Spuren der Säkularisierung und deren Rolle für die Formierung von Gemeinschaften zu befragen.
- Workshop: Traditions of Martyrdom in the Modern Middle East (14.–15.10.2011)
- Workshop: Neue Perspektiven der Warburg-Forschung (25.–26.11.2011)
- Mittwochsvortrag von Christoph Markschies (Berlin): Mitleid. Einige Anmerkungen zu Konzepten göttlichen und menschlichen Mitleids in der Antike (30.11.2011)
- Workshop: Säkularisierungen. Andere Lesarten und alternative Konzeptionen der Genealogie der Moderne (15.–17.12.2011)
- Symposium: Von Trauer zu Triumph. Praktiken einer sowjetischen Éducation sentimentale im kulturellen Vergleich (13.–14.01.2012)
- Buchpräsentation: Taubes und Taubes (25.01.2012)
- Tagung: Das Nachleben des Trauerspiels (23.–24.02.2012)