Zeitbegriffe und die Temporalstruktur der Moderne
Im Verbundprojekt Das 20. Jahrhundert in Grundbegriffen entsteht zurzeit am ZfL in Kooperation mit dem Leibniz-Institut für deutsche Sprache (IDS) in Mannheim und dem Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam (ZZF) ein Lexikon der historischen Semantik in Deutschland. Anhand von 150 Begriffen soll die Veränderung der politischen, sozialen und kulturellen Sprache von etwa 1900 bis in unsere Gegenwart untersucht werden. Die ersten Begriffsgeschichten sind bereits online erschienen und sollen nach Fertigstellung aller Einträge in einem fünfbändigen Lexikon publiziert werden.
Das Lexikonprojekt schließt einerseits an die von Otto Brunner, Werner Conze und Reinhart Koselleck herausgegebenen Geschichtlichen Grundbegriffe an, erweitert diese aber nicht nur temporal, sondern auch methodisch, indem es unter Einschluss von distant reading-Verfahren die Produktion und Veränderung sprachlichen Sinns unter sich wandelnden medialen, sozialen und kulturellen Bedingungen untersucht. Ein zentrales Ergebnis der Geschichtlichen Grundbegriffe war die These, dass der Wandel des politisch-sozialen Vokabulars in der sogenannten Sattelzeit um 1800 die Herausbildung eines neuen spezifisch modernen Zeit- und Geschichtsverständnisses anzeigte. Eine solche progressive Temporalisierung der Zeit kam paradigmatisch in Kollektivsingularen wie »Fortschritt« und »Geschichte« zum Ausdruck. In und seit den 1970er Jahren, als die Geschichtlichen Grundbegriffe entstanden, wurde jedoch allenthalben die Erosion dieses Zeitverständnisses beobachtet, ohne dass dies bisher begriffsgeschichtlich fundiert worden wäre. Auf dem Workshop untersuchen wir daher den Wandel zentraler Zeit- und Prozessbegriffe im 20. Jahrhundert und fragen danach, ob und inwiefern dieser auf eine Veränderung neuzeitlicher Temporalstrukturen in unserer Gegenwart hindeutet.
Eine Anmeldung ist bis zum 16. September 2024 möglich per E-Mail an Simon Specht (simon.specht@zzf-potsdam.de) und Rüdiger Graf (graf@zzf-potsdam.de).
Abb. oben: John Gast: American Progress (1872; Ausschnitt), Quelle: Wikimedia Commons
Programm
Donnerstag, 19.9.2024
ab 13.30
Begrüßung
14.00
Einführung
14.30
- Christian Geulen (Universität Koblenz-Landau): Geschichte
- Simon Specht (ZZF): Fortschritt
16.30
- Falko Schmieder (ZfL): Revolution
- Tino Heim (TU Dresden): Utopie
Freitag, 20.9.2024
9.00
- Laetitia Lenel (Humboldt-Universität zu Berlin): Prognose
- Dirk van Laak (Universität Leipzig): Planung
10.45
- Matthias Schmelzer (Friedrich-Schiller-Universität Jena): Wachstum
- Nicolai Hannig (TU Darmstadt): Prävention
13.00
- Marcus Müller (TU Darmstadt), Rüdiger Graf (ZZF): Risiko
13.45
Abschlussdiskussion