Vortrag
17.04.2023 · 19.30 Uhr

Oliver Precht: Was heißt: sich im Sehen orientieren? Merleau-Pontys Politik der Wahrnehmung

Ort: Online
ZfL-Projekt(e): Marx in Frankreich

Online-Vortrag am IPPK Institut für Philosophie, Psychoanalyse, Kulturwissenschaften e.V.

Merleau-Ponty wird weithin als Theoretiker der Wahrnehmung, als Phänomenologe des Leibes gelesen und rezipiert. Nicht minder wahr ist jedoch, dass sich sein gesamtes Denken um ein politisches Projekt dreht, das man in einer ersten Annäherung als einen sehr undogmatischen, ›existentialistischen‹ Marxismus beschreiben könnte. Ausgehend von seinem 2023 erscheinenden Buch über das Thema zeichnet Oliver Precht die Grundzüge von Merleau-Pontys »Politik der Wahrnehmung« nach, die sich in Äquidistanz zu einer revolutionären »Politik der Vernunft« und zu einer liberalen »Politik des Verstandes« herausbildet.

Weil das zentrale Problem, die ›Sache‹ seines Denkens in einer vielschichtigen und unauflösbaren ›Verflechtung‹ besteht ­– in einer Verflechtung in das Gesehene, Gesprochene, Gedachte, in die Geschichte der Menschheit und die unseres Planeten –, kann Merleau-Pontys Werk als eine Arbeit an den philosophischen Grundlagen einer linken Politik im Zeitalter des Anthropozäns gelesen werden. Es gibt eine philosophische Politik zu erkennen, die nicht in Dogmen oder Prinzipien, auch nicht in einer Methode im strengen Sinn, sondern vielmehr in der radikal gemachten Orientierung Halt findet. Sich in der Welt zu orientieren, das reicht für Merleau-Ponty, um eine kohärente und radikale Politik zu entwickeln.

Der Philosoph und Literaturwissenschaftler Oliver Precht ist wissenschaftlicher Mitarbeiter mit dem Projekt Marx in Frankreich. Die Selbstbestimmung der französischen Theorie (1945–1995).