Sigrid Weigel (ed./eds.)

Märtyrer-Porträts
Von Opfertod, Blutzeugen und heiligen Kriegern

Wilhelm Fink Verlag, München 2007, 319 pages
ISBN 978-3-7705-4553-7

Die Rückkehr der Religion in die Politik und das Auftreten von Selbstmordattentätern, die sich als Märtyrer bezeichnen, ist Anlass, die lange und vielgestaltige Geschichte von Märtyrern zu erinnern und der Faszination ebenso wie der Beunruhigung der Figur nachzugehen. Der Band präsentiert – in Form von 50 Porträts und vier Essays – die Kontinuität ebenso wie die Differenzen und Umformungen der Figur: von der Antike bis zur Gegenwart, in verschiedenen Religionen, Künsten und Darstellungsweisen.

Mit den Selbstmordattentätern, die sich als Märtyrer verstehen und inszenieren, ist eine Figur auf den Schauplatz der Geschichte zurückgekehrt, von der das säkulare Europa annahm, dass sie längst vergangenen Zeiten angehört. Die Zitate von religiösen Symbolen – auch der christlichen Ikonographie – und von Chiffren der Popkultur machen aber bewusst, dass hier auch europäische Traditionen im Spiele sind. Begriff und Bild des Märtyrers sind wesentlich durch das massenhafte Auftreten frühchristlicher Märtyrer im kaiserlichen Rom des 2. bis 4. Jahrhunderts geprägt. In die Umdeutung des Wortes martyr (griechisch: Zeuge) zum Blutzeugen und geheiligten Opfer gingen aber Elemente vorchristlicher Erscheinungen von Opfertod und sakraler Gewalt ein: die Mythen heldenhafter ›unnatürlicher‹ Tode und das antike Konzept des noble death, aber auch jüdische Überlieferungen wie die der Makkabäer zur Zeit römischer Tyrannei, die um zur Einhaltung der Gesetze und zum ›Lob des göttlichen Namens‹ Folter und Tod in Kauf nahmen. Der Auftritt der ›Heiligen Krieger‹ und die Verwandlung von Blutzeugen in Glaubenskämpfer verbindet sich in der Folge mit der Entstehung des Islam und mit der Geschichte der Kreuzüge. Zur Verbreitung und Popularität der Märtyrern haben aber vor allem die Erzählungen und Bilder ihrer Martern beigetragen: Keine Märtyrer ohne Schauplatz und Zuschauer, ohne die Ausstellung des geschundenen Körpers und die Erzählung von Bekenntnis und Standhaftigkeit der Märtyrer und der Bekehrung durch sie. Die Märtyrer-Geschichte ist ein Produkt von ikonographischen, literarischen und medialen Inszenierungen. Dabei zeigen die Kontinuität und Variationsbreite von Märtyrer-Figuren nicht nur die religionskulturellen Zusammenhänge politischer Gewalt, sondern auch die Verbindungen und Differenzen zwischen den drei monotheistischen Religionen. Und sie schärfen den Blick für die verborgenen oder vergessenen, gleichwohl aber fortwirkenden Prägungen auch der Moderne durch Muster, die der Kultur sakraler Gewalt und geheiligter Opfer entstammen.

Media Response

30 Apr 2008
Biblische Gewalt

Review by Jan Süselbeck, in: literaturkritik.de, 4 (Apr 2008)

29 Apr 2008
Märtyrer-Porträts

Review by Sabine Schrader, in: H-Soz-Kult, 29 Apr 2008

07 Apr 2008
Die Rückkehr der Religion in die Politik

Review by Hans-Martin Schönherr-Mann, in: Deutschlandfunk, Program: Büchermarkt, 7 Apr 2008

27 Mar 2008
Sigrid Weigel: Märtyrer-Portraits

Radio review by Klaus Englert, in: SWR2, Program: SWR2 Literatur, 27 Mar 2008, 14:55

30 Jan 2008
Opferfiguren aller Art

Review by hmay (Helmut Mayer), in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 30 Jan 2008, 36

28 Jan 2008
Opferkultur von der Antike bis zur Gegenwart

Review by Jan Süselbeck, in: Deutschlandfunk, Program: Andruck – Politische Literatur, 28 Jan 2008

19 Jan 2008
Kurz und knapp

Review, in: Die Welt, 19 Jan 2008

13 Dec 2007
Faszinierend und beunruhigend

Review by Carsten Hueck, in: Deutschlandfunk Kultur, Program: Radiofeuilleton Kritik, 13 Dez 2007