Workshop
19.11.2010

Am Rande des Wahnsinns. Aus der Werkstatt einer kultur- und medizinhistorischen Forschergruppe

Ort: ZfL, Schützenstr. 18, 10117 Berlin, 3. Et., Seminarraum 303
Kontakt: Armin Schäfer
ZfL-Projekt(e): Kulturen des Wahnsinns

Programm

Der Workshop ist der Präsentation und Diskussion des Manuskripts „Am Rande des Wahnsinns. Schwellenräume, 1870-1930“ gewidmet. Es versammelt Beiträge, die aus der Arbeit der Forschergruppe Kulturen des Wahnsinns. Schwellenphänomene der urbanen Moderne (1870-1930) hervorgegangen sind. Ziel der vorgestellten Beiträge ist es, die Tragfähigkeit des Konzepts des Schwellenraums für eine Beschreibung des Wahnsinns um 1900 zu erproben. Während zu Beginn des 19. Jahrhunderts der Wahnsinn noch in Formen wie den religiösen, dämonischen oder poetischen Wahnsinn, den Wahnsinn der Gebärenden und den der Wöchnerinnen, den Wahnsinn der Säufer oder der Matrosen, Wahnsinn durch Liebe und sogar einen stillen Wahnsinn unterschieden wurde, konnte sich die Psychiatrie der einstigen Vieldeutigkeit des Begriffs bemächtigen und ihn auf die Unterscheidung von „gesund“ und „krank“ bündeln. So ist „Wahnsinn“ um 1900 zwar ein weitgehend konsistenter Begriff der Medizin, doch bewahrt er etwas von seiner Vielgestaltigkeit: sowohl in der Psychiatrie als auch in den Ausnahmezuständen des Genies, den urbanen Gegenkulturen der Bohème, der radikalen Avantgarde der Ateliers, den Traumsprachen des Dadaismus oder in den vielen Grenzbereichen des gesellschaftlichen, kulturellen und wissenschaftlichen Lebens. Die vorgestellten Beiträge wollen auf die Verschiebungen und Übertragungen auf dem Feld des Wahnsinns fokussieren und hierbei jene Räume in den Blick nehmen, in denen die Unterscheidung zwischen „gesund“ und „krank“ etabliert wird oder aber kollabiert.

Die Veranstaltung ist der Präsentation und Diskussion der schriftlichen Beiträge gewidmet.

Programm

9.30
Armin Schäfer (ZfL): Begrüßung und Einführung

10.00-11.00
Volker Hess , Sophie Ledebur (beide Charité Berlin): Die Nervenpoliklinik als Schwellenraum. Das Berliner Beispiel, 1870-1914
Kommentar: Stefan Willer (ZfL)

11.30-12.30
Rainer Herrn, Alexander Friedland (beide Charité Berlin): Zur Einführung des Schizophrenie-Konzepts an der Charité
Kommentar: Benjamin Bühler (ZfL)

14.00
Petra Fuchs, Wolfgang Rose, Thomas Beddies (alle Charité Berlin): Die psychiatrische Kinderbeobachtungsstation an der Charité als regulativer Schwellenraum
Kommentar: Katrin Solhdju (Brüssel/Siegen)

15.00-16.00
Benjamin Marcus, Sophia Könemann (beide Charité Berlin): „Einunddreißig Zöpfe? Wahnsinnstaten“ – Ein Haarfetischist im öffentlichen Diskurs
Kommentar: Hubert Thüring (Basel)

16.30
Gabriele Dietze (HU Berlin): Skandal als Strategie – Wahn als Gehäuse. Weibliche Bohème und sexuelle Moderne um die Jahrhundertwende
Kommentar: Cornelius Borck (Lübeck)

17.30
Volker Hess (Charité Berlin), Heinz-Peter Schmiedebach (Uniklinik Hamburg-Eppendorf): Zur Konzeption des Buch-Projekts „Am Rande des Wahnsinns“
Moderation: Armin Schäfer (ZfL)