Begriffsgeschichte und Zukunftswissen
Programm
(Stand: 10.06.2015)
Donnerstag, 11.06.2015
10.00–10.30
Ernst Müller (ZfL): Einleitung
I. Methodisch-theoretische Positionen
Moderation: Ernst Müller
10.30–11.15
Faustino Oncina (Universitat de València): Begriffsgeschichte und Zukunftswissen bei Koselleck
11.45–12.30
Herbert Kopp-Oberstebrink (ZfL): Prävention und Metaphernwissen. Aspekte von Zukünftigkeit in Hans Blumenbergs Metaphorologie
II. Zukunftsbegriffe vom 18. bis 20. Jahrhundert
Moderation: Herbert Kopp-Oberstebrink
14.00–14.45
Florian Kappeler (Göttingen): Das Wissen der künftigen Revolution. Prophetien der Umwälzung von Haiti
14.45–15.30
Julia Nordblad (Stockholm): Future Generations and Sustainable Forestry in French Political Language 1830—1848
Moderation: Stefan Willer
16.00–16.45
Javier Fernández Sebastíán (Universidad del País Vasco): Imagining an Elusive Tomorrow. Conceptualising the Future in 19th-Century Spain
Freitag, 12.06.2015
II. Zukunftsbegriffe vom 18. bis 20. Jahrhundert (Fortsetzung)
Moderation: Sandra Pravica
10.00–10.45
Kirill Postoutenko (Helsinki): Future in Early Stalinist and Nazi Rhetoric. Deixis, Key Concepts and Conceptual Asymmetries
10.45–11.30
Christina Brandt (Bochum): ›Zeitschichten‹ und Erwartungshorizont. Zum Wandel von Zukunftskonzepten in der Auseinandersetzung mit den Life Sciences in den 1970er Jahren
III. Aktuelle Begriffe des Zukunftswissens
Moderation: Falko Schmieder
12.00–12.45
Sandra Pravica (ZfL): In-(security). Sicherheit und Nichtverfügbarkeit
13.30–14.15
Stefan Willer (ZfL): Prevention, Preemption, Precrime. Zur Begrifflichkeit verhinderter Zukünfte
Geschichte und Zukunft, Begriffsgeschichte und Zukunftswissen bilden nur auf den ersten Blick thematische Gegensätze. Die Begriffshistoriker Reinhart Koselleck und Joachim Ritter kamen in ihren Forschungen seit den 1960er Jahren darin überein, den Bruch zwischen Zukunft und Vergangenheit als Kennzeichen der Moderne zu fassen. Koselleck entwickelte in seinem Buch Vergangene Zukunft die These, dass das historische Bewusstsein – und die Begriffsgeschichte ist selbst eines ihrer wesentlichen Momente – aus der Asymmetrie zwischen Vergangenheitserfahrung und Zukunftserwartung erwächst. Solche Begriffe, denen ein Zukunftshorizont eingeschrieben ist, die also immer auch ›Vorgriffe‹ sind, nennt Koselleck ›Bewegungsbegriffe‹. Im Anschluss daran hat etwa Lucian Hölscher dargelegt, dass ›Zukunft‹ keineswegs eine ahistorische Universalie, sondern ein spezifisch neuzeitliches, an das Konzept der Geschichte gebundenes Phänomen ist.
Den Bewegungsbegriffen der modernen westlichen Gesellschaften ist die Zukunftsdimension stets auf eine doppelte Weise eingeschrieben: zum einen als säkulare Geschichtsphilosophie, zum anderen als rationale Voraussicht (Prognostik). Dabei betonte schon Koselleck die materialen Bedingungen der Prognostik und das politisch-pragmatische Moment des Zukunftswissens: »Die Prognose ist ein gewußtes Moment politischer Aktion.« Seit das utopische Gesellschaftsdenken in eine grundlegende Krise geraten ist, scheint sich die Aufmerksamkeit vorwiegend auf die Verfahren des Zukunftsmanagements zu richten: auf die Antizipation ökonomischer Krisen, militärischer Bedrohungslagen, gesellschaftlicher und politischer Unruhen, technischer Pannen und ökologischer Katastrophen. Dennoch bleibt die Frage nach der geschichtsphilosphischen Zukunftsdimension virulent. Sie betrifft sowohl den Status des ›klassisch‹-modernen Begriffsinventars (Fortschritt, Utopie, Revolution) als auch den der heute dominierenden Zukunftsbegriffe (Sicherheit, Prävention, Nachhaltigkeit).
Die Beiträge des Workshops umspannen das gesamte Themenspektrum: das Zukunftswissen in den Theorien der Begriffsgeschichte, begriffsgeschichtliche Untersuchungen prognostischer Begriffe und die kulturwissenschaftliche Thematisierung solcher Praktiken und Begriffe, in denen Zukunft heute diskutiert wird. Organisiert wird die Veranstaltung als deutsch-spanische Kooperation. Beteiligt sind die ZfL-Projekte Theorie und Konzept einer interdisziplinären Begriffsgeschichte und Sicherheit und Zukunft sowie das durch das spanische Wirtschaftsministerium finanzierte Forschungsprojekt Hacia una historia conceptual comprehensiva: giros filosóficos y culturales (FFI2011-244739). Diese Zusammenarbeit erlaubt eine europäisch-komparative Perspektive.