Bild- und Textordnungen im religionskulturellen Vergleich
Programm
Symposium des Projekts Topographie pluraler Kulturen Europas in Rücksicht auf die 'Verschiebung Europas nach Osten'
(gefördert im BMBF-Schwerpunkt 'Geisteswissenschaften im gesellschaftlichen Dialog')
Das Forschungsprojekt "Topographie pluraler Kulturen Europas in Rücksicht auf die 'Verschiebung Europas nach Osten'" hat es sich unter anderem zur Aufgabe gesetzt, Untersuchungsparameter zu entwickeln, die quer zu den Gegenständen der Einzelwissenschaften stehen, und diese versuchsweise 'Textordnungen', 'Bildordnungen', 'Kleiderordnungen', 'Affektordnungen' und 'Grundordnungen' genannt. In einer Reihe interdisziplinärer Symposien sollen unter Beteiligung von Kunst-, Literatur- und Religionswissenschaftlern sowie von Arabisten, Judaisten, Slawisten und Turkologen grundlegende Voraussetzungen für jede kulturwissenschaftliche Forschung untersucht werden, die es mit unterschiedlichen Religionen und Kulturtechniken zu tun hat.
Textordnungen
Hier geht es um Zusammenhänge zwischen Religion, Schrift/ Text und Kultur und um die Bedeutung religiöser Überlieferungen, Schrift und Sprache auch in der Säkularisierung und Modernisierung. Unter Textordnungen werden also nicht nur Fragen des Genres verstanden – etwa, dass in den Literaturen des Osmanischen Reichs der Roman unbekannt und nur als 'Import' aus dem Westen vorstellbar war. Hier geht es auch um die Bedeutung unterschiedlicher Aufschreibsysteme, um Ein- und Mehrsprachigkeit, Übergänge zwischen sowie Hierarchie vs. Parallelität verschiedener Sprachen, Schriftsysteme und Medien. Diskutiert werden Probleme von Oralität und Literarizität in ihren je verschiedenen Abstufungen und Wertungen, d.h. sowohl die Möglichkeitsbedingung von Schrift und Öffentlichkeit als auch die 'Nötigung zur Literatur'.
Bildordnungen
Die Bildkultur spielt gegenwärtig in den auf internationaler Bühne ausgetragenen Konflikten eine zentrale Rolle. Die kurze Filmpassage mit den zusammenstürzenden Twin Towers, die Photos aus den serbischen Lagern, aus Abu Graib und Guantanamo sind zu 'Ikonen' der Zeitgeschichte und zum 'Argument' in den politischen Auseinandersetzungen geworden, und dies kraft ihrer massenmedialen Verbreitung und ihrer unausgewiesenen Referenz auf das europäische Bildgedächtnis. Vor allem Film und Video sind Bestandteile globaler Pop- und Subkulturen geworden, die Bilder zwischen verschiedenen Registern, Sprachen und Kulturen zirkulieren lassen. Vor dem Horizont einer solchen globalen Bilderpolitik muß danach gefragt werden, ob und wie unterhalb dieser Oberfläche Spuren der kulturell sehr unterschiedlichen Bildtraditonen wirken. Befragt werden religionsspezifische Voraussetzungen kultureller Differenzen wie: jüdisches und islamisches Bilderverbot, der Zusammenhang von Bild, Person und Memorialkultur, Ikonen und Idole.
In verschiedenen Sektionen sollen die Themenfelder diskutiert werden wie: der Transfer von Schrift- und Bildtraditionen, Sprach-, Schrift- und Rechtschreibreformen, Idolatrie und Ikonoklasmus, politische Ikonographie und Bildprogramme im öffentlichen Raum, kulturelle Praktiken wie die Zentralperspektive, Aufschreibetechniken, Verwaltungs- und Aktenführung, Bild, Maske und Person.
Donnerstag, 6. Dezember
16.30 Sigrid Weigel (ZfL): Begrüßung und Einführung
I. Schrift - Bild - Kult im Religionsvergleich
17.00 Martin Treml (ZfL)
Bild, Schrift, Sakrament - Darstellen und Ordnen in den Religionen
Angelika Neuwirth (FU Berlin)
Schrift und Körper - Überlegungen zum koranischen Monotheismus
19.00 Pause
19.30 Cornelia Vismann (MPIRG Frankfurt/M.)
Byzanz und die genealogische Ordnung des Textes
Freitag, 7. Dezember
II. Gottesbilder, Bilderverbot und Bilderkult
9.30 Glenn Peers (University of Texas, Austin)
Portraits by God in Byzantium and Islam
Almir Ibric (Wien)
Das Bilderverbot des Islam im Digitalzeitalter
11.30 Pause
12.00 Alex Stock (Universität Köln)
Trinität am politischen Horizont. Zu Tizians La Gloria und Andrej Rubljews Svjataja Troica
Janis Augsburger (ZfL)
Idol und Idolatrie. Das Buch vom Götzendienst (Vortrag fällt aus!)
14.00 Pause
III. Die Bilder Europas
15.30 Elke Werner (FU Berlin)
Die Figur der Europa. Zu Funktion und Bedeutung eines Bildmotivs im Zeitalter der Konfessionalisierung
Sigrid Weigel (ZfL)
Karikaturen im Streit der Kulturen
17.30 Pause
Öffentliche Vorträge
18.00 Hans Belting (HdK Karlsruhe)
Zwei Medien der Religion: Westliche Bild- und islamische Schriftkultur
19.30 Dan Diner (Simon Dubnow Institut Leipzig)
Versiegelte Zeit
Samstag, 8. Dezember
IV. Buch, Text, Literatur
9.30 Andrea Polaschegg (HU Berlin)
Literarisches Bibelwissen zwischen Topos, Bild und Text am Beispiel Maria Magdalenas
Georg Witte (FU Berlin)
Schriftbildlichkeit in Rußland. Eine literarische Emanzipationsgeschichte
11.30 Pause
12.00 Andreas Pflitsch (ZfL)
Aladin Aladin und der Koran. Zur Frage, warum und was Araber aufschreiben
Richard van Leeuwen (University of Amsterdam)
The Thousand and One Nights and the European Tradition
14.00 Pause
15.00 Jurij Murasov (Universität Konstanz)
Sprache, Schrift und Schuld in der jugoslawischen/bosnischen Literatur. Zu Ivo Andrićs Erzählung Der verdammte Hof
Torben Philipp (HU Berlin)
Sakrale und dämonisierte Medienbilder. Konturen einer Poetik des Visuellen bei F. M. Dostoevskij
17.00 Pause
V. Medien und Öffentlichkeit
17.30 Zaal Andronikashvili (ZfL)
Denkmäler im säkularisierten Öffentlichkeitsraum (Georgien)
Elke Hartmann (FU Berlin)
Bildlichkeit, öffentliche Meinung, fotografische Propaganda