Der Anthropos im Anthropozän. Die Wiederkehr des Menschen im Moment seiner vermeintlich endgültigen Verabschiedung
Seitdem der Begriff des Anthropozäns als mögliche geologische Epoche, in der der Einfluss des Menschen im Erdstratum ablesbar geworden ist, auch als geisteswissenschaftliche Orientierungsfigur Zuspruch erfährt, ist eine erneute Konjunktur des Begriffs vom »Menschen« zu beobachten. Statt weiter in antihumanistischer Tradition destruiert zu werden, hat er nun in der Kollektivfigur des Anthropos als Gattungswesen in seiner Zerstörungsmacht unleugbare Evidenz erlangt. Wo für einige geisteswissenschaftliche Anthropozäntheorien das Anthropozän zum letzten Beweis der Sonderstellung des Menschen wird, sehen sich posthumanistische Positionen plötzlich unter Druck, sich zur diskursiven Gegenwart des Menschen neu zu verhalten.
Ob affirmativ oder ablehnend, die Rede vom Menschen kehrt just in dem Moment zurück, da seine endgültige Verabschiedung schon sicher schien. Dabei ist noch nicht gesagt, dass damit auch eine Rückkehr zur Idee des »ganzen Menschen« fällig wäre. Vielmehr wird die Unabweisbarkeit menschlicher Wirkmacht oft als Notwendigkeit neuer Anthropologien formuliert, die gerade den Fehlern des Essentialismus und der Totalität aus dem Weg gehen wollen.
Auf dem Workshop werden der Befund der diskursiven Widerkehr des Menschen und die Reevaluierung der Anthropologie im Anthropozän diskutiert.
Programm
Donnerstag, 24.01.2019
13.30–14.00 Anmeldung
14.00–14.20
Hannes Bajohr (ZfL): Begrüßung und Einführung
Anthropozän und Philosophische Anthropologie I
Moderation: Hannes Bajohr (ZfL)
14.20–15.00
Katharina Block (Oldenburg): Anthropozänes Menschsein im Lichte der Philosophischen Anthropologie Helmuth Plessners
15.00–15.40
Joachim Fischer (Dresden): Zur philosophischen Anthropologie des Anthropozäns
Anthropozän und Philosophische Anthropologie II
Moderation: Alexandra Heimes (ZfL)
16.10–16.50
Marc Rölli (Leipzig): Anthropologie im Anthropozän?
16.50–17.30
Hanna Hamel (ZfL): Dezentrierte Mitte. Herders Anthropologie im Anthropozän
Freitag, 25.01.2019
Anthropos als raumzeitliche Formation
Moderation: Hanna Hamel (ZfL)
10.00–10.40
Philip Hüpkes (Vechta): Anthropozäne Skalierungsprobleme. Zur Hochskalierung des Anthropos in einen tiefenzeitlichen Maßstab
10.40–11.20
Sebastian Edinger (Potsdam): Dialektik der Aufklärung im tellurischen Maßstab? Zum Verhältnis von tellurischer und planetarischer Politik
Anthropos als soziopolitische Größe
Moderation: Falko Schmieder (ZfL)
11.50–12.20
Gabriele Dürbeck (Vechta): Zur Reflexion des Anthropos im Interdependenz-Narrativ des Anthropozän
12.20–13.00
Laura Moisi (HU Berlin): Planetarische Ungleichheit. Die Spezies »Mensch« im Anthropozändiskurs
Anthropos als Speziesbegriff
Moderation: Georg Toepfer (ZfL)
14.30–15.10
Mira Shah (Frankfurt a. M.): Der Anthropos der Primatologie. Die Spezies Mensch als Ergebnis primatologischer Feldforschung
15.10–15.50
Hannes Bergthaller (Taiwan): Der Mensch erscheint im Pleistozän. Philosophical Anthropology and the ›Variability Selection Hypothesis‹
15.50–16.30
Frederike Felcht (Frankfurt a. M.): Spezies Mensch. Theorien der Menschheit in Biopolitik und Anthropozän
Samstag, 26.01.2019
Negative Anthropologie I: Anthropozän und Posthumanismus
Moderation: Falko Schmieder (ZfL)
10.00–10.40
Christian Dries/Marie-Helen Hägele (Freiburg): Die Stellung des Menschen im Anthropozän. Posthumanismus zwischen negativer Anthropologie und Traditionsbestand
10.40–11.20
Patricia Gwozdz (Potsdam): »(Der) Mensch ist tot, und Gaia hat ihn getötet!« Das nietzscheanische Ritornell des Posthumanismus
11.20–12.00
Katharina Gerstenberger (Salt Lake City): Menschen im Rhizom: Anna Lowenhaupt Tsings »The Mushroom at the End of the World« (2015) als Negative Anthropologie
Negative Anthropologie II: Selbsterhaltung und Selbstzerstörung
Moderation: Hannes Bajohr (ZfL)
14.30–15.10
Arantzazu Saratxaga Arregi (Karlsruhe): Neganthropologie in Zeitalter des Anthropozäns. Negentropisches Potential des Bildungstriebs
15.10–15.50
Stefan Färber (FU Berlin): Dogmatische und rationale Analyse selbsterhaltender Vernunft
15.50–16.30
Abschlussdiskussion
Abb. oben: Niels Kalk: Flow (Collage), Ausschnitt