Vortrag
28.06.2019 · 11.45 Uhr

Francisco Pinheiro Machado: Märchen und Mythos in Walter Benjamins »Berliner Kindheit um neunzehnhundert«

Ort: Universität Bern, Schanzeneckstr. 1, 3012 Bern (Schweiz), R. A-119

Vortrag auf der Internationalen Walter Benjamin-Konferenz (IWBC 2019): Bejamin’s Beginnings (26.–29.06.2019) an der Universität Bern (Schweiz)

Seit seiner ersten Beschäftigung mit dem Märchen in den 1920er Jahren sieht Benjamin dieses als eine kollektive und profane Form, die den Mythos auflösen kann. Noch in dem Essay Erzähler (1936) fasst Benjamin das Märchen als die älteste Erzählungsform auf, das immer in der Lage war, die Menschen zu beraten und zu lehren, wie man sich mit »List und Übermut« von dem »Alptraum des Mythos« bzw. den »Gewalten der mythischen Welt« befreien kann. Dem Märchen gelingt dies, indem es von einer Beziehung zwischen Menschen und Natur ausgeht, die nicht auf Angst und Beherrschung, sondern auf »Komplizität« beruht. Im Licht dieser Begriffskonstellation, die Benjamins historisch-anthropologischem Materialismus eigen ist, hat der vorliegende Beitrag das Ziel, einige Denkbilder des Buches Berliner Kindheit um neunzehnhundert (1933–1938) wie »Tiergarten«, »Schmetterlingsjagd«, »Steglitzer Ecke Genthiner«, »Verstecke«, »Fischotter«, »Das Karussell« zu deuten. Es wird gezeigt und begrifflich entfaltet, wie Benjamin in der literarischen Aufarbeitung seiner eigenen, topographisch entsponnenen Kindheitserinnerungen jenes kritische Potenzial des Märchens mobilisiert und damit eine Zäsur in der trüben Gegenwart der 1930er Jahren setzt.

Francisco De Ambrosis Pinheiro Machado ist Stipendiat der Fundação de Amparo à Pesquisa do Estado de São Paulo (FAPESP) und arbeitet an seinem Projekt Kindheit und Zusammenspiel zwischen Menschheit und Natur bei Walter Benjamin am ZfL.