Goethes Zeitkonzepte
Goethes vielleicht bekanntestes Zeitkonzept ist das ‚Veloziferische‘, eine geradezu teuflische Übereilung, die er als Signum der heranbrechenden Epoche – der sich beschleunigenden Moderne – erkannte. Der Naturkundler Goethe ist ein wichtiger Vertreter und Kritiker der Verzeitlichung der Natur am Ende des 18. Jahrhunderts. Den Wert des unberechenbaren Augenblicks kennt man aus der Wette zwischen Faust und Mephisto. Beim Begriff des Spätwerks stand Goethe Pate. Doch diese zeitkritischen und zeitdiagnostischen Beobachtungen Goethes sind nur besonders prominent gewordene Beispiele seiner Auseinandersetzung mit Zeit und Zeitlichkeit. Viele, ja vielleicht alle seiner Überlegungen zu ästhetischen, darstellungs- und gattungstheoretischen Fragen innerhalb und außerhalb der im engeren Sinne literarischen Werke geben Anlass zu der Frage, wie Goethe Zeit als Form und Formfragen als Zeitfragen verhandelt hat.
Die internationale und interdisziplinäre Tagung versammelt Experten mit Vorträgen zu bislang überwiegend separat verhandelten Zeitkonzepten Goethes vor dem thematischen Hintergrund des DFG-Schwerpunktprogrammes Ästhetische Eigenzeiten. Zeit und Darstellung in der polychronen Moderne.
Programm
Freitag, 11. November 2016
13.00–14.00
Begrüssung und Einführung durch Eva Axer (ZfL) Eva Geulen (ZfL/HU Berlin) und Johannes Grave (Bielefeld)
Johannes Grave (Bielefeld): Bildpräsenz. Über das schwierige Verhältnis von Bild und Gegenwart bei Goethe
14.30–16.00*
David Wellbery (Chicago): Der Augenblick als Zeitform
16.30–18.00
Juliane Vogel (Konstanz): Goethes Festzeit
Anne Bohnenkamp (Frankfurt/Main): Zeit und Geld in Goethes »Faust«
18.15–19.00
Alexandra Heimes (ZfL): Überstürzte Verspätung. Unzeit in Goethes »Wahlverwandtschaften«
Samstag, 12. November 2016
10.15–11.00*
Eva Axer (ZfL): Die »Jedesmaligkeit« der »Einfachen Formen«. André Jolles’ Rezeption der Goetheschen Morphologie
11.30–13.00
Cornelia Zumbusch (Hamburg): Vorzeit. Wilhelm Meisters Vorgeschichten
Claudia Keller (Halle/Saale): Hin und her. Goethes ›Wanderjahre‹ und die Diskontinuität der Kulturgeschichte
14.30–16.00
Claude Haas (ZfL): »denn es ist die Zeit/Von einem guten Werke nicht das Maß.« Zum Maß der Zeit in Goethes »Torquato Tasso«
Moritz Baßler (Münster): Aufschub
16.30–18.00
Ernst Osterkamp (HU Berlin): Einsamkeit und Freiheit. Goethes Alter
Helmut Müller-Sievers (Boulder, CO): »Die rotierende Bewegung der Monas um sich selbst«: Goethe und der Begriff des Lebens
Organisiert von Eva Axer (ZfL Berlin), Eva Geulen (HU Berlin/ZfL) und Johannes Grave (Bielefeld) im Rahmen des DFG-Schwerpunktprogramms 1688 »Ästhetische Eigenzeiten. Zeit und Darstellung in der polychronen Moderne«
*Die ursprünglich angekündigten Vorträge von Sabine Schneider (Zürich): »Das Vergangene, Gegenwärtige und Zukünftige zugleich erblicken«. Der prägnante Augenblick als Formkonzept und Andrea Polaschegg (HU Berlin): Anfänge. Goethisch müssen leider ausfallen.