Konferenz
12.01.2006 – 14.01.2006 · 01.00 Uhr

Herders Vom Geist der Ebräischen Poesie

ZfL-Projekt(e): Bibelphilologie

Programm

Vielleicht hätte die deutsche Literaturgeschichte ein wenig anders verlaufen können: Für einen kurzen Augenblick um 1800 sah es so aus, als könne auch das Andere der abendländischen Dichtung: das Morgenland, die Bibel, zu einem Teil der Poesie werden. Johann Gottfried Herders Vom Geist der Ebräischen Poesie (1782/83) entwickelt eine umfassende, anthropologisch und epistemologisch begründete Poetik auf biblischer Grundlage. Aber Herders Projekt findet keine Nachfolger, Bibel und Literatur trennen sich wenig später: Die schöne Literatur unterscheidet sich nicht nur von der Wissenschaft und der Geschichte, sondern auch von der Religion; auf der anderen Seite wird die historischkritische Erforschung der Bibel zu einer eigenen Disziplin, die für die nächsten hundertfünfzig Jahre kaum etwas mit der Literaturwissenschaft gemein hat.

Herders Vom Geist der Ebräischen Poesie ist ein Grenzfall: Zwischen Poetik und Bibelexegese, zwischen christlicher Tradition und jüdischem Text, zwischen Aufklärung, Klassik und Romantik, zwischen Bibelkommentar und Lehrdialog, zwischen orientalistischer Imagination und historischer Philologie - ein schillernder, vieldeutiger und spannungsreicher Text, der eine Fülle von Lektüren eröffnet, ein Text, der zwar allgemein bekannt, aber nur wenig gelesen, geschweige denn erforscht ist. Die Arbeitstagung soll Herders Text durch intensive Diskussion in größere Problemhorizonte stellen: in Zusammenhänge von Sprachtheorie und Poetik, von Orientalismus und Säkularisierung, von Religionspolitik und Literaturgeschichte, von Hermeneutik und Medientheorie.