The need to believe and the force of monotheism
Programm
Inauguralvortrag als Honorary Member des ZfL.
In ihrem Vortrag untersucht Julia Kristeva, was die post-freudianische
Psychoanalyse heute „die Notwendigkeit zu glauben“ nennt. Mit Hilfe
neuer Interpretationen einiger zentraler Begriffe der Freudschen
Psychoanalyse soll das stereotype Bild überwunden werden, dass Freud
religiöse Erfahrung auf die „Zukunft einer Illusion“ reduziere.
Demgegenüber soll erläutert werden, dass die „Notwendigkeit zu glauben“
als anthropologische Konstante dem „Wille zu wissen“ im Judentum und im
Christentum vorausgeht. Des Weiteren untersucht der Vortrag, wie im
Mythos des Urvatermords die Affekte des Sohns reguliert werden,
insbesondere in der christlichen Fassung, wonach der Sohn sich mit dem
Vater identifiziert und für diesen den Tod erleidet. Schließlich sollen
über die Passion von Vater und Sohn einige Schwierigkeiten offengelegt
werden, die durch die monotheistische Regulierung dieser „Notwendigkeit
zu glauben“ angesichts der sexuellen Befreiung, der Emanzipation der
Frau und der Neugliederung der Familie im multikulturellen Kontext
aufgeworfen werden.
Julia Kristeva
Julia
Kristeva ist Literaturtheoretikerin, Psychoanalytikerin und
Schriftstellerin. Sie ist Professorin an der Université Paris 7 – Denis
Diderot. Mehrfach wurde ihr die Ehrendoktorwürde verliehen (u.a. von
Harvard, Toronto, Bayreuth und Sofia). Seit 2009 ist sie Honorary Member
des ZfL. Ihre Schriften zur Semiotik und Poetik prägten maßgeblich die
Entwicklung der poststrukturalistischen Theorie, wobei für sie
insbesonder die Freud'sche und Lacan'sche Psychoanalyse, der russische
Formalismus und die Philosophie Hegels von Bedeutung waren.
Neueste Publikationen (Auswahl)
Polylogue (Paris 2008); Thérèse mon amour. Sainte Thérèse d'Avila (Paris 2008); Cet incroyable besoin de croire (Paris 2007); Diversité et culture (Paris 2007); La Haine et le Pardon (Paris 2005). Auf Deutsch sind zuletzt erschienen: Das weibliche Genie: Melanie Klein. Das Leben, der Wahn, die Wörter (Gießen 2008); Das weibliche Genie: Hannah Arendt (Berlin 2001); Die neuen Leiden der Seele (Gießen 1994); Fremde sind wir uns selbst (Frankfurt/M. 1990).
"The Need to Believe and the Force of Monotheism". Gespräch zwischen Julia Kristeva und Sigrid Weigel am 8.3.2011 im Haus der Kulturen der Welt, hier anzusehen auf youtube (hochgeladen am 16.3.2011): Teil 1, Teil 2, Teil 3