Transgenerationale Übertragungen
Programm
Im derzeitigen kulturellen Wandel – dramatisch unterstrichen durch den
demographischen Wandel – sind Übertragungsprozesse zwischen
Generationen, Alterstufen, sozialen Gruppen und Zeiten zur kritischen
Größe geworden. Institutionalisierte soziokulturelle
Transfer-Dispositive (Erbrecht, Rentensystem, Kulturerbe, Familie,
Generationensystem) werden heftig, breit, aber überwiegend ergebnisarm
diskutiert. So zeugt die anhaltende Debatte um Generationengerechtigkeit
von den immensen Schwierigkeiten, den durch das Konzept der ‚künftigen
Generationen’ belebten Zukunftshorizont in ökologischer und ökonomischer
Räson zu kalkulieren.
Die Diagnostik des Wandels kommt ohne die
Reflexion von Übertragungskonzepten nicht aus. Das Symposium ist als
Beitrag zur Gegenwartsdiagnostik gedacht und als interdisziplinäres
Gespräch zwischen Wissenschaftlern, die aus unterschiedlicher
Perspektive mit Übertragungsprozessen zwischen den Generationen befasst
sind: etwa von Eigentum, Werten, Berufen, Verhaltensformen, Traumata
(oder deren Unterbrechung beispielsweise durch Kinderlosigkeit). Dabei
sollen die je spezifischen Beobachtungsmethoden für
generationenübergreifende Handlungsstränge insbesondere auf ihre
kulturelle Signifikanz für die gegenwärtige Situation befragt werden.
Wie wird im Umgang mit Erbe, Vererbung, mit Imprinting, mit Bildung der
belebte Übergriff auf andere Lebenshorizonte gedacht und entworfen? Wie
sind Übertragung, Überlieferung, Tradierung zu differenzieren? Was z.B.
ereignet sich in kultureller, soziologischer, biologischer oder
psychologischer Hinsicht, wenn sich die Vektoren der Übertragung
umkehren, d.h. Eltern ihre Kinder 'beerben', von ihnen lernen? Wie
werden Übertragungen von den ‚Gebern’ und ‚Empfängern’ – auch
imaginativ, und symbolisch - verarbeitet?
Freitag, 5.11.2010
14.30-16.00
Franz Breuer
(WWU Münster ): Transfer persönlicher Objekte –
Vorgänger-Nachfolger-Übergänge in institutionellen und interpersonalen
Bezügen
Isabell Stamm (FU Berlin): Zur Aneignung des Erbes: Transgenerationale Übertragung in Unternehmerfamilien
16.30-18.00
Walter Erhart (Uni Bielefeld): Mythische Übertragungen – die Gegenwart des Familienromans
Ulrike Vedder (HU Berlin): Gedächtnislos? Zur transgenerationalen Übertragung des Vergessens in der Gegenwartsliteratur
18.30-20.00
Stefan Willer (ZfL): Welt-Kultur-Erbe: eine transgenerationale Übertragung?
Irmela
Marei Krüger-Fürhoff (ZfL): Lebendspenden: Transgenerationale
Übertragung und Vergesellschaftung des Körpers in literarischen
Fiktionen der Transplantationsmedizin
Samstag, 6.11.2010
10.30-11.30
Paul Schmid-Hempel (ETH Zürich): Epigenetik: die biologische Sicht der Dinge
12.00 - 13.30
Bernhard Horsthemke (Uni Duisburg-Essen): Genetisches Erbe und die Asymmetrie der elterlichen Genome
Jörg Thomas Richter (ZfL): Neues von den Kallikaks: Transgenerationale Optimierungen im posteugenischen Zeitalter
15.00-16.30
Bettina Völter (ASH Berlin ): Beziehungstänze. Lebensgeschichten als Hinweise auf transgenerationale Interaktionen
Ohad Parnes (ZfL): Vererbung ohne Gene: Transgenerationale Übertragungskonzepte im 20. Jahrhundert
17.00-18.30
Werner Bohleber (Frankfurt a.M.): Individuelle und kollektive Traumata und deren transgenerationelle Weitergabe
Sigrid Weigel (ZfL): Die Schuld der Schulden